Sardinien - an der Spitze der Mordstatistik in Italien

Beppe

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Sardinien - an der Spitze der Mordstatistik in Italien

Auf Sardinien werden mehr Menschen ermordet als im übrigen Italien: Die Insel steht an der Spitze der Mordstatistik

Die Zahl der Opfer pro 100 000 Einwohner ist die zweithöchste nach der des Aostatals, allerdings gibt es dort weit weniger Einwohner - und, insgesamt laufen auf Sardinien immer noch 7 Mörder "straffrei" rum.

Am 3. September wurde Gigi Cherchi, ein 67-jähriger Viehzüchter ermordet und Bruder von Giuseppe und Salvatore (die beide 1998 getötet wurden): hier wird der Schatten der Noragugume-Fehde wieder größer.
Im Oktober wurde Alessio Madeddu aus Teulada ermordet , der aus seiner Teilnahme an der TV-Sendung "4 Ristoranti" bekannt war: Sein Mörder hatte aus Eifersucht gehandelt.

Dies sind nur 2 der insgesamt 17 vorsätzlichen Morde, die im Jahr 2021 auf Sardinien begangen wurden.
Damit steht die Insel an der Spitze der nationalen Rangliste für Tötunsgsdelikte.

Nicht in absoluten Zahlen (und selbst in diesem Fall wäre die Rangfolge beunruhigend), sondern im Verhältnis zur Bevölkerungsdichte. In den Statistiken wird nur das Aostatal höher eingestuft, aber in diesem Fall wird die Zahl durch die geringe Einwohnerzahl einigermaßen "verfälscht": hier leben nur etwas mehr als 125.000 Menschen mit "nur" 2 Opfern pro Jahr.

Die Mordrate in der kleinen Region betrug 1,62 pro 100.000 Einwohnern. Auf der Insel lag sie bei 1,07.
Alle anderen Regionen haben einen niedrigeren Durchschnitt und zwar mit großem Abstand. An dritter Stelle der düsteren Rangliste steht Kampanien: Hier liegt die Quote bei 0,80 mit insgesamt 45 vorsätzlichen Tötungsdelikten
(allerdings bei über 5,5 Millionen Einwohnern).

Die Zahlen stammen aus der jüngsten ISTAT-Erhebung auf der Grundlage sowohl von Berichten der Zentraldirektion der Kriminalpolizei als auch des Innenministeriums.

Auf Sardinien werden demzufolge mehr Menschen getötet als im übrigen Italien. Es gab 2 Opfer von Frauenmorden (bis zum Zeitpunkt der Berichtserstellung) und es wurde kein Mann wurde von seinem/r Partner*in getötet. Andererseits entspricht dies dem Trend in ganz Italien: nur 7 Männer wurden in einem Jahr von ihrer Partnerin oder Ex-Partnerin getötet.

Die Zahl der weiblichen Opfer betrug dagegen 74. Im Jahr 2021 gab es auf der Insel nur einen einzigen Mord innerhalb einer Familie (unter Verwandten).

Die ministerielle Datenbank enthält noch eine weitere Statistik, die für die kriminelle Dynamik auf der Insel bezeichnend ist: 7 Morde blieben bis heute 'ohne Täter', d.h. die Täter konnten bisher nicht ermittelt werden.
Die Toten sind alles Menschen mit Namen - die Mörder hingegen blieben bisher namenlos.

Quelle:
 
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Gehört auch zu Sardinien, aber ein sehr heikles, schwieriges Thema! Die, die was dazu sagen könnten, sagen wahrscheinlich nichts, und die anderen, Touristen, Urlauber brauchen wir hier nicht damit belasten
 
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@Georgie

na ja, inwieweit das heikel ist, muß jeder für sich selbst entscheiden.

Aber belasten tut es den gemeinen Touristen oder Urlauber wohl genauso wenig.
Andernfalls müßten sich die ganzen lebenslustigen Urlauber in abwägende Erinnerung rufen:

Autunfall bei der Anreise, Motorradunfall auf der Insel, Ertrinken beim Baden im Meer, Fährunfall bei der Anfahrt, Stromschlag beim Duschen in der FEWO, Ersticken durch eine Gräte beim Fischessen, Kollision mit einem anderen Motorboot, Brückeneinsturz in Genua, Absturz von einem Felsen, Tauchunfall in Maddalena, von Rochen tödlich gestochen, Felssturz im Gennargentu, von einem Ochsen zerquetscht, von einem Querschläger tödlich getroffen, vom Nilfieber dahingerafft, von schwarzer Witwe gebissen, anaphylaktischer Schock nach Quallenkontakt
.und ..und ...und

Das Gefährdungsarsenal mit letalem Ausgang könnte sicherlich noch unendlich weiter fortgeführt werden.

Die Wahrscheinlichkeit sich bei der Anreise oder dem Aufenthalt auf der Insel sich aus einem der o.a. Gründe von der Weltbühne zu verabschieden, ist m.E. weitaus höher, als einem vorsätzlichen Tötungdelikt ausgesetzt zu sein.

Insgesamt muß man sagen, daß nahezu bei allen Tötungsdelikten es zuvor irgendeine nähere Beziehung zwischen Täter und Opfer gab. Insofern äußerst unwahrscheinlich, daß ausgerechnet einen urlaubenden Touristen ein vorsätzliches Tötungsdelikt ereilen sollte.
 
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@Beppe
Als Belastung meinte ich nicht die Angst, dass einen selber ein Tötungsdelikt oder anderes Unbill ereilt. Das ist äußerst unwahrscheinlich, wie du schreibst. Danke für die Glosse;)
Wenn man eine Urlaubsreise plant und von so entsetzlichen Realitäten wie Fehdemorde, die selbst die sardische Bevölkerung heute noch in blankes Entsetzen versetzen, Morde in Serie, Täter, die frei rumlaufen... liest, kann man schon von diffusen Unsicherheiten befallen werden, völlig unnötig, wie wir wissen. Deshalb spreche ich auch nicht mit Gästen der Insel über solche Dinge. Es sei denn, jemand ist detailliert daran interessiert.
Man kann von einem Urlauber nicht erwarten, dass er diese Realitäten richtig einschätzen kann, die kaum ein wirklicher Kenner Sardiniens verstehen kann. Da es weder uns hier auf Sardinien lebende Ausländer noch den Touristen in irgendeiner Weise betrifft, brauchen wir doch auch hier nicht drauf eingehen, nur meine Meinung.
Dass es keine Gesellschaft auf der ganzen Welt ohne Kriminalität gibt, weiß wohl jeder, der nicht komplett weltfremd ist, dafür braucht man keine "leise Ahnung" vermittelt kriegen, dass ausgerechnet auf Sardinien nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen herrscht.
 
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Bitte drückt doch den melde-button wenn ihr meint, hier seien beiträge fehl am platz, dafür ist er ja da. Wobei es schon gut wäre, wenn der nicht bei jedem beitrag gedrückt würde, der weder touristen noch auf sardinien lebende ausländer betrifft, sonst wären die admins hier schnell überlastet.
 
Da ich für die Tageszeitung zu schlecht italienisch kann, aber sehr gerne einen Blick über den Tellerrand eines Touristen hinaus werfe und mich wirklich interessiert wie es den Menschen in der Region wo ich bin geht, bin ich Beppe für seine fundierten Beiträge sehr dankbar. Ohne die vielen Infos von ihm würde ich noch weniger verstehen, warum manches so ist wie es ist. Und ich vermute, dass ich nicht der Einzige bin der so denkt. Vielen Dank für die Infos.
 
Das Thema Fehde gehört unbedingt zu Sardinien, eine düstere Seite in der sardischen Geschichte bis in die sardische Gegenwart. In der Statistik werden an erster Stelle Morde im Schatten der Noragugume-Fehde erwähnt. Vielleicht wäre es in diesem Zusammenhang interessant, das Thema Fehde zu beleuchten. Ich wundere mich, dass sich niemand, der die Statistik sinnvoll und gut findet, fragt, WARUM Sardinien an der Spitze der Mordstatistik steht. Ich sehe den Grund u.a. in den Fehde Morden.
Die Statistik an sich ist ok und informativ, danke @Beppe aber wie gehen wir damit um? Ist es nur eine Information oder machen wir uns Gedanken? Ich war anfänglich verärgert über die Verunglimpfung von Sardinien. Aber gut, vielleicht ist diese Statistik auch eine Gelegenheit, Fehde und Banditentum, wahrscheinlich die Wurzel der hohen Zahl von Morden auf Sardinien im Vergleich zum Festland Italien, zu sprechen.
Im Blog von Pecora nera kann man einiges darüber lesen.
 
Da gab's dieses Jahr einen neuen Film darüber, der in ganz Italien ein Kassenschlager war.
"Il muto di Gallura" ist spannend, an wahre Begebenheiten angelehnt und durch die Handlung auch für Leute verständlich, die nicht perfekt italienisch bzw sardisch sprechen. Natürlich in der Gallura gedreht ;)
 
... und wer, auch im Urlaub, zufällig mal nach Aggius kommt, sollte keinesfalls das dortige "Banditenmuseum" verpassen, in dem - mit viel Liebe zusammengetragene - Exponate zu Thema "sardisches Banditentum" gezeigt werden. Unter anderem auch etliche Sachen, die den "Muto di Gallura" betreffen, Steckbriefe, Gerichtsurteile, auch die Waffen der Banditen, und vieles mehr. Dort kriegt man eine recht gute Vorstellung davon, dass das Banditentum im früheren Sardinien weder mit romantisierenden Robin-Hood-Klischees noch mit ausufernder, unbeherrschbarer Neigung zur Brutalität zu tun hat, sondern aus den sozialen Strukturen eines archaischen Hirten- und Bauernvolkes herausgewachsen ist.
Und Hirten und Bauern sind viele Sarden ja auch heute noch, mit all ihren Traditionen und zB einer Auffassung von Ehre, die dem heutigen Mitteleuropäer weitgehend fremd ist.
 
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Kidnapping mit Lösegeldforderungen war zeitweilig auch ein Thema auf Sardinien. Es war in den Neunzigern, 95 oder 96, weiß es nicht mehr so genau, da sind wir von La Caletta kommend auf der 125 bei S. Lucia in eine Straßensperre der Carabinieri geraten. Während der vordere Polizist uns Ansprach und Ausweise, Führerschein u. Fahrzeugpapiere verlangte, stand der Zweite mit nach unten gehaltener Mp und Finger am Abzug schräg versetzt dahinter. Nachdem alles kontrolliert war, ließ man uns weiter fahren.

An unserer Fewo in C. Comino angekommen, habe ich unserem Vermieter von der Aktion berichtet. Er meinte nur, sie hätten mal wieder einen Industriellen entführt u. wollen Lösegeld.

Da kam dann auch das Thema von den Jahrhunderte alten Familienfehden auf, die hin und wieder in Blutrache endeten. Er meinte, dass man sich oft wegen Geringfügigkeiten verkracht hätte, oft auch wegen falscher Anschuldigungen. Es war ausführlich und interessant und sieht danach sein Urlaubsland auch aus einer anderen Perspektive.
 
Ich lese , dass viel zu viele hier die sardische Kriminalität unterschätzen. Die Anzahl der Morde ist eine Sache . Meist nur die Spitze des Eisberges. Das ganze gedeiht auf einem enormen Humus von Drogenhandel und einer enormen Zahl von illegalen Waffenbesitz auf Sardinien.
Zum Thema Drogen hier nur mal einer von Dutzenden Berichten ( aus 2021!!!) über das Drogenproblem in Sardinien :

[CAGLIARI: Marihuana tonnenweise. In Sardinien werden Drogen zu einem ernsten Problem: Sie sind in industriellen Mengen im Umlauf und werden in viel größerem Umfang als in allen anderen Regionen Italiens angebaut. Die Bilanz für das Jahr 2021 ist beeindruckend: Sie führt fast alle Hitlisten der Beschlagnahmungen an, und es scheint heute gar nicht mehr so abwegig, sie als eine Art "Insel der Drogensüchtigen" zu bezeichnen.

Die Daten stammen aus dem Dossier der Abteilung für Drogenbekämpfungspolitik der Präsidentschaft des Ministerrats, die jedes Jahr einen Bericht über das Phänomen der Drogenabhängigkeit in Italien erstellt, der dann direkt dem Parlament vorgelegt wird.

Vor einigen Tagen sprach Innenministerin Luciana Lamorgese in Cagliari von einer im Vergleich zu anderen Städten "unverhältnismäßig großen Menge" an entdeckten Drogen. Und tatsächlich sprechen die Zahlen für sich.

Im Jahr 2021 wurden auf der Insel 676 Operationen zur Drogenbekämpfung durchgeführt, und - hier kommen die schockierenden Zahlen - die beschlagnahmten Drogenmengen beliefen sich auf 23.600 Kilo, fast doppelt so viel wie in der Lombardei. 27,8 % der in Italien sichergestellten Drogen. Im Grunde genommen ein Drittel der Gesamtmenge. Bezogen auf die Wohnbevölkerung entspricht dies fast 2000 Kilo pro 100 Tausend Einwohner im Alter von 15 bis 75 Jahren. Zum Vergleich: Der italienische Durchschnitt liegt bei 190 Kilo pro 100 Tausend Einwohner.

Das Dossier schlüsselt dann die Anfälle nach Art der Droge auf. Auf Sardinien wurden weniger als 60 Kilogramm Kokain beschlagnahmt, bei Haschisch liegt die Zahl etwas höher, während Heroin im Vergleich zum übrigen Italien nur in sehr geringem Umfang in Umlauf ist. Anders verhält es sich bei Marihuana. Wenn die beschlagnahmten Mengen auf nationaler Ebene etwa 106 Kilogramm pro 100.000 Einwohner entsprechen, erreicht das Verhältnis in Sardinien 1.946 Kilo pro Kopf. Insgesamt handelt es sich um mehr als 23.500 Kilo, d. h. fast die gesamte in den Tabellen der Insel aufgeführte Menge.

In Sardinien werden dem Bericht zufolge täglich etwa 7500 Cannabispflanzen im Verhältnis zur Einwohnerzahl beschlagnahmt. Und auch hier stellt die Insel den italienischen Rekord auf….] Übersetzung mit deepl.
( https://www.youtg.net/primo-piano/4...-a-quintali-e-i-sequestri-piu-grossi-d-italia)
 
Ja, die Mischung aus passendem Klima und dünn besiedelt ist die perfekte Voraussetzung für Cannabis in Mengen. Es ist auch so, dass der Konsum schon halb öffentlich stattfindet. Es gibt Länder, die, auch weil die Verfolgung der Taten zu viele Kräfte bindet, eine Legalisierung anstreben. Italien gehört gerade nicht dazu.
Was eher beunruhigt, ist, dass die Konsumenten teilweise sehr jung sind.
 
... und wer, auch im Urlaub, zufällig mal nach Aggius kommt, sollte keinesfalls das dortige "Banditenmuseum" verpassen, in dem - mit viel Liebe zusammengetragene - Exponate zu Thema "sardisches Banditentum" gezeigt werden. Unter anderem auch etliche Sachen, die den "Muto di Gallura" betreffen, Steckbriefe, Gerichtsurteile, auch die Waffen der Banditen, und vieles mehr. Dort kriegt man eine recht gute Vorstellung davon, dass das Banditentum im früheren Sardinien weder mit romantisierenden Robin-Hood-Klischees noch mit ausufernder, unbeherrschbarer Neigung zur Brutalität zu tun hat, sondern aus den sozialen Strukturen eines archaischen Hirten- und Bauernvolkes herausgewachsen ist.
Und Hirten und Bauern sind viele Sarden ja auch heute noch, mit all ihren Traditionen und zB einer Auffassung von Ehre, die dem heutigen Mitteleuropäer weitgehend fremd ist.
kann ich auch nur weiter empfehlen, das museum. wir haben uns vor dem besuch desselbigen und danach noch mehr mit der geschichte (älteren und jüngeren datums) beschäftigt. lohnt sich für sardinieninteressierte wirklich sehr. und aggius an sich ist ein besuch absolut wert.
 
Da gab's dieses Jahr einen neuen Film darüber, der in ganz Italien ein Kassenschlager war.
"Il muto di Gallura" ist spannend, an wahre Begebenheiten angelehnt und durch die Handlung auch für Leute verständlich, die nicht perfekt italienisch bzw sardisch sprechen. Natürlich in der Gallura gedreht ;)
@Bisso

auf den Film "Il Muto di Gallura" hatten wir bereits Anfang des Jahres hingewiesen, siehe ==>
 
…wir waren bei der Filmvorstellung in olbia ,in dem niedlichen kleinen Kino .was uns auch berührte,waren die Reaktionen bei manchen Szenen von den älteren Herrschaften,die ,jedenfalls zu dem Zeitpunkt in der Überzahl waren.es war ein kollektives Seufzen und stöhnen zuweilen zu hören .es war mucksmäuschenstill in dem Kino ,gebannt (ohne diese schrecklichen Popcorn Geräusche :mad:)schaute jeder zu.ein altes Paar neben mir ,sagte beim herausgehen zu mir ,da ich ein Gespräch angefangen hatte ,c’è ancora.. es ist die alte verwurzelte Mentalität die Wir als Zugereiste nur bedingt verstehen können.das Banditi Museum ist ein muss !!,finde ich,der Versuch zu verstehen,vielleicht ein wenig zu begreifen.vielleicht ist es auch die kulturelle Zerrissenheit der jungen ragazzi hier,die sie zu Drogen greifen lassen ,natürlich auch Profit machen, Weils an Arbeit mangelt . also wenn ich da an Holland denke,:mad:wir kommen ja aus dem Rheinland und venlo und ..ist ja nur ein Katzensprung entfernt.da sahst du aber die Junkies rumlaufen auf offener Straße und nicht im Hinterhof .hier bin ich noch nie mit dem Thema auf offner Straße konfrontiert worden und wir sind viel unterwegs.ja auch unsere Insel der Glückseligkeiten hat ein paar graue Flecken.;)
 
@Georgie

die Zitierung eines Zeitungsartikels (aus einer sardischen Zeitung!) als Verunglimpfung (?) Sardiniens zu empfinden -
na ja, Loriot hätte sicherlich gesagt: 'anscheinend, scheint etwas mit Deinem Gefühl nicht zu stimmen!'

Insgesamt erscheint mir dieses 'Fehde-Gehabe' als ein Überbleibsel sowie historisch gewachsenes Rechtsverständnis aus Feudalismus und Villikation im ausgehenden 18 Jh. Die "Fehde" ist nach heutigem Rechtsempfinden negativ belegt, da in einem modernen Staat das Gewaltmonopol und rechtsstaatliche Regelungen von Staatsorganen überwacht und geregelt werden und jegliche Form von Selbstjustiz abgelehnt wird.

Allerdings war es in "grauer Vorzeit" durchaus so, daß Recht seinerzeit weniger ein abstrakter "hoheitlicher" allgemeiner Anspruch als vielmehr ein konkreter Besitz war, den es zu verteidigen und zu bewahren galt.

Zu einem An- und Eingriff auf 'Besitz' kam es z.B. schon bei:
Mord und Totschlag, aber auch bei Ehrkränkungen & Beleidigungen, Besitzstreitigkeiten, Handgreiflichkeiten, Sachbeschädigungen, Ehebruch, Verwundung, Raub oder Tötung von Vieh, Ernte, Futter & Rohstoffen, aber auch bei Landnahme & -nutzung. Fehden waren so ein durchaus gewöhnlicher und oft sogar notwendiger Bestandteil der mittelalterlichen Gesellschaft.

Äußerst schwierig bis komplex, hierzu annähernd (quasi posthum) ein Verständnis wie auch das Selbstverständnis der seinerzeitigen Menschen sowie deren gesellschaftliche Rolle & Position explizit darzulegen und nachvollziehbar zu erklären; insbesondere vor dem Hintergrund unseres heute gültigen Rechts- und Sozialsystems.

Insgesamt müßte man hier sicherlich wesentlich weiter ausholen und sogar noch früher in der Rechts-, Sozial- und Herrschaftsgeschichte "Europas" graben, um näherungsweise ein Verständnis der Gegebenheiten und des politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens sowie der Besitz- und Herrschaftsstrukturen zu erreichen.
 
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@tineminchen ,schau mal in Wikipedia nach,Sardinien-Banditen.ich finde die Erläuterungen sehr interessant und das was dort geschrieben steht,reicht meines Erachtens für uns zum Verständnis.es sei denn,wir wollen eine Doktorarbeit schreiben :) Du warst sicherlich schon mal in orgosolo ,da ist das Thema am reichhaltigsten verarbeitet,finde ich.aber auch in anderen kleinen Dörfern gibts fast immer zu dem Thema Murale ,die wie ein Geschichtsbuch zu lesen sind .sonnige Grüße vom sardischen Hügel
 
Marihuana riecht man aber schon oft, wenn man auf Sardinien unterwegs ist.... also rauchende Personen, klar, meistens eher junge und sehr junge; am Strand verstärkt, aber auch in Ortschaften;
naja, soll ja auch einen Wert für die Gesundheit haben ;)
:rolleyes:
 
Auf einen (sehr) simplen Nenner gebracht, funktioniert eine Fehde nach dem Motto "Haust du meinen, hau ich deinen!"
Oft war/ist es ein vergleichsweise geringfügiger Auslöser, der einen generationenlangen Kleinkrieg nach sich zieht.
Ein Beispiel aus unserer unmittelbaren Nachbarschaft: Zwei Zaun-an-Zaun-Nachbarn, beide weit jenseits der 60, d.h. noch im "alten" Gesellschaftbild aufgewachsen und darin verwurzelt. Dem einen passt es nicht, dass der andere auf seinem Grund ungenutztes Baumaterial lagert, ihn stört der tägliche Anblick des "Gerümpels". Dabei hat er selbst ein unangemeldetes Auto auf seinem eigenen Grund herumstehen. Die Behörden, Forestali, Carabinieri werden eingeschaltet, bringen aber keine befriedigende Lösung. Diskussionen, immer heftiger, oft böser Streit, der - vorläufig - dahin eskaliert, dass einer dem anderen seine Meinung mittels eines Hammers kundtut, worauf jener eine Weile im Spital verbringt.
Es folgen mutmaßliche Überfälle im Haus des einen, in seiner Abwesenheit wird sogar in das Haus eingebrochen und darin herumgeschossen. Wir haben die jeweiligen Versionen von beiden gehört (und die Einschüsse gesehen), können aber nicht abschätzen, welche annähernd den Tatsachen entspricht. Wir kommen eigentlich mit beiden gut aus und stehen vor dem Dilemma, dass jeder erwartet, wir würden für ihn Partei ergreifen.
Eines Tages brennt es, aber nicht nur bei einem der beiden Streithähne, sondern überwiegend bei uns. Mit knapper Not und dank der spontanen Hilfe von anderen Leuten aus der Umgebung können wir unser Haus vor den Flammen bewahren, aber ein guter Teil unserer Vegetation, darunter etliche mühsam gezogene Oleander und Obstbäume, verbrennt.
Seltsam - in unserer Gegend hat es, so erzählt man uns, seit Jahrzehnten nicht gebrannt, und - auch seltsam - der Ursprung des Macchiabrandes lag nicht weit außerhalb des Grundes des einen, in Windrichtung, aber der Wind hatte unerwartet gedreht und die Flammen auf unseren Grund getragen. Dass eine Weile später von Brandstiftung die Rede war, ist als Gerücht einzustufen, Beweis dafür gibt's keinen ...
Seit wir diesen Nachbarschaftskonflikt live miterlebt haben, können wir uns gut vorstellen, warum die Mordrate auf Sardinien höher ist als sonstwo. Es ist nur ein Zufall, dass es im oben geschilderten Fall keine Toten gab - ein etwas schwererer Hammer, eine etwas dünnere Schädeldecke, ein versperrter Fluchtweg vor den Flammen, und die Statistik hätte einen Fall mehr zu verzeichnen gehabt.
Inzwischen ist einige Zeit vergangen, die beiden haben einen Modus des Miteinander-Auskommens gefunden, man geht sich aus dem Weg.
Dass diese Geschichte kein Einzelfall ist, sehen wir daran, dass, auch hier in der Gegend, aber weiter weg, einem Weinbauern eines Nachts sein gesamter Weingarten umgeschnitten wurde, oder, wieder woanders, ein Stier auf der Weide erschossen wurde. Wir kennen allerdings hier die Hintergründe nicht. Man spricht nicht darüber, schon gar nicht mit Ausländern, die nicht direkt involviert (wie wir bei dem Brand) sind.
 
... und wer, auch im Urlaub, zufällig mal nach Aggius kommt, sollte keinesfalls das dortige "Banditenmuseum" verpassen, in dem - mit viel Liebe zusammengetragene - Exponate zu Thema "sardisches Banditentum" gezeigt werden. Unter anderem auch etliche Sachen, die den "Muto di Gallura" betreffen, Steckbriefe, Gerichtsurteile, auch die Waffen der Banditen, und vieles mehr. Dort kriegt man eine recht gute Vorstellung davon, dass das Banditentum im früheren Sardinien weder mit romantisierenden Robin-Hood-Klischees noch mit ausufernder, unbeherrschbarer Neigung zur Brutalität zu tun hat, sondern aus den sozialen Strukturen eines archaischen Hirten- und Bauernvolkes herausgewachsen ist.
Und Hirten und Bauern sind viele Sarden ja auch heute noch, mit all ihren Traditionen und zB einer Auffassung von Ehre, die dem heutigen Mitteleuropäer weitgehend fremd ist.
:D schön wenn man direkt dort wohnt und sich keinerlei Gedanken macht ,umgelegt zu werden:p:cool:
 
wohnst ja auch nicht bei den Banditen im Museum 1669736353037.gif
 
finden den beitrag von peko sehr interessant. oft hört man auch, dass mit kleineren sprengstoffmengen bei ungliebten personen gearbeitet wird.

ich denke, es gibt wohl keine mediatoren auf der insel?
 
Schöner Beitrag von peko.
Das sind die Geschichten, die man sonst nur nach ein paar Gläschen im kleinen Kreis erzählt bekommt. Danke !

LG. Jürgen
 
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