in ca. ¼ der Familien auf Sardinien 1 Arbeitsloser – Sardinien hält den Rekord in Italien

Beppe

Sehr aktives Mitglied
Wie aus einem Bericht der Confindustria zu entnehmen ist, hält Sardinien mit 24 Prozent aller Haushalte den Rekord, wo mindestens eine Person arbeitslos ist. Auffällig insbesondere die hohe Anzahl junger Menschen, die weder studieren noch einen Job haben.

Es wird mittlerweile auch zu einer sozialen Frage auf Sardinien wie der Bericht der Confindustria zeigt: Viele junge Sarden wandern aus, die Bevölkerung altert überproportional und das Inselinnere wird zunehmend entvölkert. Die Untersuchung der Confindustria zeigt: Das Durchschnittsalter erhöht sich ständig und der ansteigende Altersindex macht es notwendig, entsprechende neue Sozialpläne zu entwickeln. Die Abwanderungszahlen bleiben weiterhin negativ.

So steht Sardinien folglich ganz oben auf der Liste, wo mindestens 1 Familienmitglied in den Jahren 2013 und 2014 den Arbeitsplatz verloren hat – und dies ist immerhin in 24 von 100 Familien der Fall.
In der Rangfolge stehen vor allen Dingen die südlichen Regionen Italiens ganz oben. Nach Sardinien kommt Kalabrien (mit 23,3 von 100 Familien), dann Apulien (mit 22,2) sowie Sizilien (mit 21) und Kampanien (mit 20,9).

Auch die Situation der Jugendarbeitslosigkeit bleibt nach wie vor aktuell und Sardinien hält seit jeher den Rekord bei den Jugendlichen, die weder studieren noch arbeiten, obwohl die Anforderungen des Bildungssystems sich nicht erhöht haben.

Im Hinblick auf Hochschulabschlüsse bleibt der Anteil der Absolventen eher gering auch wenn dieser etwas gewachsen ist: auf Sardinien ist der Anteil der Hochschulabsolventen von 4,9 pro tausend Einwohnern im Jahr 2001 auf 8,9 im vergangenen Jahr gestiegen. In Kalabrien beträgt diese Zahl 11 Absolventen pro tausend Einwohner, in den Abruzzen und Kampanien 10,7 pro 1000 Einwohner.
 
Und dies vor dem Hintergrund, dass es wahrscheinlich eher die Regel ist, dass es in der Familie nur einen Verdiener gibt und die (Haus)Frauen in der dieser Statistik ja gar nicht auftauchen. Oder?
 
In meinem Umfeld auf Sardinien habe ich festgestellt, dass Studierende einerseits das angefangene Studium aufgeben, weil ihnen auf der langen Strecke des Studiums die Hoffnung auf einen entsprechenden Arbeitsplatz auf Sardinien abhanden kommt, andererseits wird das falsche Studium gewählt. Ich habe manchmal den Eindruck, es wird wahllos drauflos studiert, ohne sich konkret Gedanken zu machen, was man mit dem gewählten Studium auf Sardinien dann anfangen kann, welchen Beruf man letztendlich damit ergreifen kann und wie die Job-Situation ist.

Die Eltern sind stolz, dass ihre Kinder studieren (wobei das Wort "studieren" auch oft nur "lernen" heißt, nicht wie bei uns unbedingt ein Hochschulstudium bedeutet), sie unterstützen sie, bringen große Opfer, und dann später das Debakel, die große Enttäuschung wegen der Studien-/Ausbildungsabbrüche.

Viele junge Sarden wandern aus, die Bevölkerung altert überproportional und das Inselinnere wird zunehmend entvölkert.

Ich verstehe nicht, warum diese Tatsache so negativ sein soll. In den 50er 60er Jahren gab es auch aus denselben Gründen eine Auswanderungswelle besonders nach Deutschland. Die Männer sind in Arbeit gekommen, haben ihre Familien unterstützt, sind zum großen Teil zurück gekehrt und beziehen schöne Renten von Deutschland. Ich weiß, dass das Argument der Überalterung in diesem Zusammenhang immer angeführt wird, aber ist es nicht besser, dass die jungen Leute auswandern und Arbeit finden als zu Hause arbeitslos rum zu hängen und von den Familien und auch vom Staat unterstützt werden müssen?
 
Zuletzt geändert:
Das ist leider eins der großen Probleme des Inseldenkens. Die Kinder (oder Studierenden) haben einfach keine Übersicht über die Möglichkeiten, die sie nach einem Studium haben. Bis vor wenigen Jahren konnte man nur "Geometer" studieren. Und das Geld, ihre Kinder nach der normalen Schule 3 Jahre oder länger ins Ausland gehen zu lassen, haben die wenigsten. Dabei wäre es so nötig, Horizonte zu erweitern.

Ein Bekannter ging nach Mailand mit dem Kopf voller musikalischer Ideen. Lebte in einem Winzzimmer, hungerte, bügelte seine Hosen unter der Matratze und schaute sich um im Leben ausserhalb Sardiniens. Kam auf die Insel zurück mit Computerkenntnissen, verdient jetzt genug Geld, indem er Firmen ihre Computer einrichtet, dass er sich eine Familie mit 2 Kindern leisten kann. Glück gehabt weil er vergleichen konnte.
 
Und das Geld, ihre Kinder nach der normalen Schule 3 Jahre oder länger ins Ausland gehen zu lassen, haben die wenigsten. Dabei wäre es so nötig, Horizonte zu erweitern.

Es liegt nicht nur am Geld, sondern wirklich am Inseldenken. Ich hatte einer jungen sardischen Frau (Studienabbrecherin) vorgeschlagen, zu uns nach Deutschland zu kommen, erst einmal bei uns zu wohnen, damit sie sich nach einer Arbeit oder nach ihren Möglichkeiten umschauen kann. Ich hatte ihr meine Unterstützung in jeder Hinsicht zugesagt. Sie hat das Angebot nicht angenommen, auch weil die mamma sie nicht los lassen konnte und sie nicht ermutigt hat, diesen Schritt zu tun.
 
Zuletzt geändert:
Ich denke es liegt schon in der Erziehung der Kinder. Wenn ich sehe wie 12oder 14 jährige Kinder von den Müttern noch verpuppelt werden.
Wie sollen sie dann später loslassen? In meinem Umfeld habe ich auch gehört..." Warum muss man auf dem Festland studieren?" oder es gibt
Jugendliche, die die Möglichkeiten hätten wo anders hin zu gehen, aber sie nicht nutzen. Ich frage mich dann auch immer, warum ist das so?
 
Nun ja, an anderer Stelle applaudieren wir dann wieder über den tollen sardischen Familiensinn.
 
Ich glaube es ist wie immer eine Mischung aus allem: Tradition & Gesellschaft, Erziehung und Persönlichkeit und Politik.

Ein Freund von uns, Sarde, Gott sei Dank regelmäßig in Lohn und Brot, lebt zusammen mit Sohn, Lebensgefährtin und deren Tochter. Da er im Ort gut vernetzt ist, erhält er ständig wohlmeinende Anrufe wie: dein Sohn ist gerade mit dem Fahrrad auf dem Weg in den nächsten Ort (mit 15) - er wird natürlich sofort zurückgeholt; oder die Tochter deiner Freundin steht (mit 17!) an der Ecke und unterhält sich mit einem Jungen - auch sie wird gleich zurückgepfiffen... Bis sie 18 sind stehen sie unter voller Beobachtung - wen wundert es, wenn sie dann nicht alleine laufen können?

Eine andere Freundin, Anfang 40, hat Deutsch & Englisch für Lehramt studiert. Sie arbeitet seit vielen Jahren an div. sard. Schulen und hat immer noch nicht genügend Punkte für eine Festanstellung beisammen. Wohnhaft in der Nähe von Posada muss sie Stellen z. B. in Lanusei ausfüllen... Oder darf nur Krankheitsvertretung machen. In den Sommerferien, immerhin 3 Monate, steht sie ohne Einkommen dar und jobbt in Hotels als Dolmetscherin od. an der Rezeption; diese Tätigkeit wird schlecht oder auch gar nicht entlohnt. Völlig frustriert hat sie im vergangenen Jahr bei ein Reederei für Kreuzfahrten in Florida angeheuert. Jedenfalls hat sie jetzt ein regelmäßiges Einkommen.

Ich fühle mich oft so sprachlos, würde gern helfen, aber natürlich aus Sarden keine Deutschen machen wollen...
 
Ich finde den Familiensinn hier auf Sardinien auch gut, aber für mich bedeutet es auch loslassen, sodass Kinder ihren Weg gehen können.
Da muss ich Georgie zustimmen, ein Thema mit vielen Aspekten.
 
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