Das, was ich bisher von meinen sardischen Bekannten gehört habe, klingt so ähnlich wie in den Zitaten, die Bea hier genannt hat: Europa und der Euro sind schuld, dass es uns so schlecht geht, und Renzi und die ganze, alte Politikerklasse muss weg.
Und mit der Reform der Verfassung hätten die Regionen überhaupt nichts mehr zu bestimmen (konnte Sardinien in der Vergangenheit eigentlich irgendwann mal was bestimmen, was nicht im Interesse Roms war? ), und Brüssel könnte dann sogar ein Atomkraftwerk neben ihr Grundstück bauen (habe tatsächlich auch solche Aussagen gehört). Brüssel und die Merkel würden dann auch noch die Troika nach Italien schicken und in die Souveränität Italiens eingreifen. Und dann würde es ihnen wie Griechenland ergehen.
Klingt alles irgendwie wirr!
Dass aber die Politiker Italiens mitsamt ihren Familien, Vettern, Onkeln und Freunden in unübersichtlicher Zahl seit mindestens 60 Jahren (oder auch schon länger) das Land so heruntergewirtschaftet und ausgeraubt haben, sehen sie schon, aber sie wissen nicht, wie das zu ändern ist. Dann ist dann eine solche Abstimmung einfach das Ventil zum Luft und Ärger ablassen.
Ich will den letzten Absatz, den du schreibst nicht bestreiten, aber ebenso, wie in Griechenland gibt es hier eben ein fettes ABER:
Brüssel und Merkel (ehrlich wäre: Schäuble und seine Leute im Hintergrund Asmussen und Co.) haben mit ihrem Festhalten an der Austeritätspolitik und der gleichzeitigen Ablehnung von Mechanismen, die Kreditwürdigkeit einzelner Länder nicht ins Bodenlose fallen zu lassen (eine Abwertung der Währung ist ja ob des Euros nicht mehr möglich), eben tatsächlich dafür gesorgt, dass es den einfachen Leuten in diesen Ländern nicht eben besser geht als vor ein paar Jahren.
Das schlimmste aber war, dass die Bevölkerung in Griechenland sich in großer Mehrheit für eine andere Politik ausgesprochen hat - und dieses Votum schlicht nicht akzeptiert wurde. Varoufakis war nach seinem Ausscheiden ja sehr auskunftsfreudig, von wegen dass Schäuble sagte das könne schon sein, dass Varoufakis Plan Hand und Fuss habe (was soll ein Jurist einem renommierten Ökonomieprofessor auch anderes sagen), aber er werde ihn mit aller Macht verhindern. Wenn von der Aussage auch nur 1% stimmt, dann braucht sich niemand in Deutschland oder von der EU wundern, dass der Rest des Kontinents nicht eben gut auf beide zu sprechen ist. Der große Profiteur dieser Krise heißt Deutschland, Stichwort Strafzinsen, wer dem Staat Geld leiht, usw. Bezahlt wird das in Südeuropa.
Ich finde es deshalb immer sehr leicht, mit dem Finger auf die "Idioten" (meine Worte, nicht deine) zu zeigen, die die Versprechungen aus Berlin und Brüssel nicht mehr glauben wollen und sich entsprechend an der Wahlurne wehren und europafreundliche Regierungen abstrafen. Auch in Deutschland wird ja gerne darauf verwiesen, wie gut es "uns" ginge. Das mag gesamtwirtschaftlich stimmen, aber das hilft den Abgehängten in strukturschwachen Regionen eben nicht. Und die werden, unterstützt durch jene Reformen, die man nun auch dem Rest des Kontinents - vorsichtig ausgedrückt - empfiehlt, eben immer mehr. Eigentlich ein ideales Spielfeld für linke Parteien. Aber da die sich ja lieber in besonderem Maße dem scheinbar alternativlosen Weg verschreiben (ob nun die SPD in Deutschland seit Schröder, Labour in GB seit Blair, die PS in Frankreich, die PD in Italien etc.), machen es eben die "Heimatparteien" *kotz* FPÖ, Front National, AfD etc. oder lächerliche Gestalten wie Trump oder Grillo.
Nicht, dass ich das geil fände. Und nicht, dass nicht jeder, der sich ein paar Momente mit den jeweiligen Parteiprogrammen beschäftigt wüsste, welche wirtschaftspolitischen Ziele diese Parteien verfolgen (MS5 mal ausgenommen, die kommen mir immer vor, wie eine Wundertüte, sind für und gegen alles und nichts, kurzum eben ein völlig planloser Scheißhaufen), die mal so gar nichts mit den Abgehängten zu tun haben. Aber ein bloßes "Weiter so", verbunden mit einem "Wie kann man nur" ist genau das, was der gemäßigten Linken in Europa auch noch die Wahlklatschen 597 und 598 einbringen wird, ist eben nicht der Weg, das zu stoppen.
So lange sie das nicht begreift, kann ich nur aber sagen: Sie hat es sich wärmstens verdient. Um in Deutschland zu bleiben: Martin Schulz und F-W Steinmeier als Hoffnungsträger, dazu Sigmar Gabriel als Parteichef. Glaubt die SPD ernsthaft, dass das Gesicht der Brüsseler Selbstgerechtigkeit, der Architekt der Agenda 2010 und der oberste CETA-Kämpfer die Leute zurückholen, die zur AfD abgewandert sind? Ich befürchte: Sie hofft das wirklich ...