@qwpoeriu
Phu - das ist mir zu viel zum zitieren. Ich versuche es mal als eigenständigen Text runter zu bringen.
Vorweg - Europa ist keine Einbahnstrasse und der Weg in die Zukunft ist weder vorgezeichnet noch zementiert. Vieles ist möglich...
Ich denke keineswegs das auf dem europäischen Weg in den letzten 20 Jahren alles glatt gelaufen ist. Ganz im Gegenteil!
Die Rechten aller Orten haben vor allem deshalb (im Zusammenhang mit der Europapolitik) Zulauf weil man keine Grundlinie mehr sieht und vor allem weil die Politik gefühlt an den Menschen vorbei geht. Und das Gefühl täuscht nicht. Europa wird wohl nur überleben wenn zum einen in Brüssel deutlich mehr Demokratie einzieht was zwangsläufig eine Kompetenzabgabe der Nationalstaaten an Brüssel nach sich zieht. Zum anderen muss man wieder deutlich mehr europäische Politik für die Menschen machen und nicht für Institutionen oder zum Selbstzweck. Niemand benötigt leistungskastrierte Staubsauger oder Kaffeemaschinen die nach 15 Minuten den Strom ausschalten weil jemand in Brüssel meint das dann der Kaffee eh nicht mehr schmeckt. Man normt selbst Gemüse aber scheitert an einfachsten Dingen wie dem Abschaffen des Roamings. Hier wird erst vollmundig versprochen und dann erst mal wieder zurück gerudert. Die Briefpost hat ihr "Roaming" bereits vor über 150 Jahren abgeschafft und bis heute kommen die meisten Briefe an - weltweit. Von solchen Herausforderungen wie einer einheitlichen Europamaut, einheitlichen Verkehrsregeln oder gar einer einheitlichen Besteuerung der Arbeitnehmer kann man nur träumen.
Griechenland ist eine ganz eigene Nummer. Die Fehler den man seiner Zeit gemacht hat um Griechenland aus rein politischen Gründen in die Währungsunion zu zerren sind nicht wieder auszumerzen. Wer sich jemals ein wenig mit der Geschichte dieses Landes beschäftigt hat weiss das deren einzige Exportschlager der letzten 2500 Jahre handbemalte Tongefässe und ihre eigene Kultur gewesen sind. Zudem zeigt ein Blick auf die Landkarte das dort weder Industrie noch intensive Landwirtschaft möglich ist. Das Land besteht zu weiten Teilen aus Steinen und Wasser. Das ändert nichts an der Schönheit des Landes und an der Liebenswürdigkeit der Menschen dort aber das dies auf Dauer nicht funktionieren wird war klar. Der damalige Fiananzminister Eichel hat sogar einmal öffentlich zugegeben das er intern vor dem (Euro)Beitritt GR eindringlich gewarnt hat weil schon damals klar war das die gelieferten Zahlen niemals stimmen konnten. Griechenland wird so lange in seinem Hartz4 Status verharren bis sie entweder aus dem Euro austreten oder ihnen die Schulden wenigstens so weit erlassen werden das sie wieder ihre Zinsen bedienen können. Dann geht der Spass von vorne los. Ob das Auftreten Schäubles wirklich hilfreich war wage ich zu bezweifeln. Da gebe ich dir Recht. Allerdings haben die sich beide wenig geschenkt. Und das Kasperletheater in der Öffentlichkeit wohl ehr für ihre eigene Wählerklientel zu Hause veranstaltet.
Macron möchte nicht nur ein einheitlichers Europa sondern vor allem auch ganz gerne europäisches (vornehmlich deutsches) Geld. Es ist abzusehen das er, wie alle anderen vor ihm auch, mit seinen Reformen wohl mehr oder weniger an dem Widerstandswillen des französchischen Volkes scheitern wird. Nichtsdestotrotz sind einige seiner Vorstösse sicher atraktiv.
Ein Europa der Regionen ist sicherlich eine schöne Idee aber eben nicht die gelebte Realität. Mit Ausnahme Kataloniens hat grade der Wegfall der Grenzen in den von dir genannten Regionen, die vorher Unabhängigkeit gesucht haben, viel Ruhe gebracht. Denn dort wo es keine Grenzen mehr gibt benötigt man auch keinen neuen Nationalstaat oder die Unabhängigkeit. Das ist der einzige Grund warum es im Baskenland und Nordirland halbwegs ruhig ist. Wenn England die EU verlässt wird es mit absoluter Sicherheit wieder krachen. Wenn dann Schottland noch die Abspaltung versucht gibt es den nächsten Brennpunkt. Die Schotten gehören seit Jahrhunderten zu England. Die können abstimmen was sie wollen - man wird sie niemals gehen lassen! Notfalls lässt man die Armee aufmarschieren wie seiner Zeit in Irland.
Das Katalanische Parlament hat über etwas abstimmen lassen zu dem sie gar nicht das Recht hatten. Diesen Passuns in ihrer Verfassung haben sie übrigens von uns "geklaut". Wir haben sowas auch. Ich bin mir sicher das man Katalonies Probleme anders und besser hätte angehen können als mit diesem unsäglichem Unabhängigkeitsreferendum.
Mit Staches Europavisionen habe ich mich nicht beschäftigt. Die bittere Wahrheit ist aber das die afrikanische Massenimigration der letzten Jahre die direkte Folge des "arabischen Frühlings" ist den man in Europa, vor allem in Deutschland, so beklatscht hat. Letzendlich hat man über Jahrzenhte die ganzen Despoten, Irren und Militärpotentaten Nordafrikas grosszügig mit Wirtschafts- und Entwicklungshilfe alimentiert. Diese haben dann im Gegenzug den Europäern die Armuts- und Kriegsflüchtlinge vom Hals gehalten. Die Despoten sind weg und die Menschen kommen. Und das werden sie genau so lange tun bis man sie wieder dort aufhält. Dann hat man aber wieder die Irren und Despoten dort die man auch nicht haben will. Die Verhältnisse in Afrika so nachhaltig zu verändern das es keinen Sinn mehr macht von dort nach Europa zu ziehen halte ich für ein Hirngespinst. Der permanente Zustrom wird ohne weiteres einige Zeit zu verkraften sein. Vielleicht 10-15 Jahre aber irgendwann ist eine tippingpoint erreicht an dem sich die Gesellschaft aus ihrem inneren heraus so stark verändert das sie an dieser Veränderung zerbricht. Die Völkerwanderung ist ein tolles Beispiel dafür.
Ich bin absolut deiner Meinung das Europa sicherlich nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft sein sollte. Europa muss mehr sein. Es muss den Menschen etwas vermitteln. Eine bestimmte Idee. Einen gemeinsamen Gedanken. Ohne das ist Europa nichts!
PS:
Auch wenn ich mit extrem vielen Dingen die in Europa passiert sind und passieren nicht einverstanden bin so bin ich doch ein glühender Verehrer der Europäischen Idee und fühle mich heute weit mehr als Europäer denn als Deutscher. Als begeisterter Südeuropareisender hatte ich vor einigen Jahren in Italien mal ein Schlüsselerlebnis. Den nähren Zusammenhang hier aufzudröseln würde zu weit führen aber ich hatte damals das erste Mal nicht das Gefühl ein Ausländer dort zu sein. Klar war ich ein Fremder dort, kein Italiener, sogar der Sprache nicht mächtig und trotz allem fühlte ich mich nicht als Ausländer. DIeses Gefühl hat mich seit dem auch in Spanien oder Frankreich nur selten wieder verlassen. Und genau das ist in Wirklichkeit das worum es geht. Diese europäische Idee. Das gemeinsame, das eigentliche Ziel.