Nach 21 Jahren Fährerfahrung ausschließlich mit Kabinenübernachtung, habe ich mich zu einer Überfahrt ohne alles entschieden.
Inspirierend fand ich den Beitrag eines Forianers, der solche Reisende als "Penner" bezeichnete. Wollte ich also mal probieren :).
Auch, weil ich noch nie über irgendwen gestolpert bin, der auf dem Boden lag. Liegt wohl auch im Eigeninteresse, sich nicht so zur Nacht zu legen.
Unterstützung hierbei habe ich übrigens - zwar nur schriftlich, aber! - durch eine mir bisher unbekannte Forianerin erhalten. Danke schön nochmals für den
Support! Wird vielleicht etwas langwierig, also nur lesen, wenn Ihr gerade nicht genervt seid!
Gebucht war eine Fähre mit einem Sitz im Sala Poltrone. Da ich mir alle Übernachtungsoptionen freihalten wollte, nahm ich allerhand Geraffel mit: Isomatte,
Schlafsack, Kopfhörer mit NC-Funktion, einen Schal als Augenbindeersatz bei Lichtflutung nachts, etwas zu lesen, Globuli gegen Reiseübelkeit....
Draußen schlafen viel ganz schnell als Möglichkeit aus. Das Deck war geflutet, die Gäste wurden gebeten, sich nach drinnen zu begeben. Es blitzte, donnerte, schaukelte.
Schönste Bedingungen für mich.
Mein gebuchter Sitz? Der Raum war duster, eng, es schwankte... ging gar nicht. Fluchtreaktion.
Da ich früh auf der Fähre war, belegte ich (ja, ich belegte einen Platz, den andere nicht mehr für sich nutzen konnten!) einen Sitz auf den Bänken einer bar direkt an der
Fensterfront. Schien mir ähnlich den Gegebenheiten einer Außenkabine.
Ob ich den ganzen Abend als normaler Passagier hier sitze oder später hier schlafe, sehe ich tatsächlich nicht als Platz wegnehmen an, wie es hier so oft erwähnt wurde.
Perspektivwechsel ist manchmal ne gute Sache.
Also, ich legte einen Rucksack und einen Beutel ab und sah mich mal an Deck um. Noch war eine Regenpause. Noch nichts überflutet.
Einige hatten sich später einen Platz zum Schlafen in Nischen auf dem Flur gesucht, in einer anderen - gemütlicheren - bar oder dunklen Ecken... :).
Ich jedoch blieb mal dort und tat normal, fühlte mich jedoch ziemlich unwohl. Gegenüber der Waschraum war noch schön ordentlich. Sauber, Klospülung funktionierte.
Später in der Nacht nicht mehr. Na ja. Ist halt keine Kabine. Obwohl es dort auch passieren kann.
Es gab allerhand zu sehen und zu hören, was mir bisher in unserer Kabinenwelt mit Familie oder dem Deckaufenthalt entgangen ist.
Eine Artistengruppe hatte Spaß an einem runden Tisch mir gegenüber. Eine Frau aus dieser Gruppe übte sich im Handstand üben, hatte die Stühle beiseite gestellt. Hm, tja, o.k. :). Gegenüber saß ein Pärchen, dass sich eindeutig auf den Urlaub einstimmte, incl. mitgebrachten Weingläsern. Da kam ich mir schon etwas schäbig vor. Dort, auf dem Wartebänkchen. Rechts neben mir 2 ältere Damen und Herren, Italiener. Sehr gediegen. Links neben mir italienische Mutter, zwei Kinder, zwei Omas. Abgesehen von den Kindern (die eigentlich schon lange in die Kabine wollte, die Damen aber gestikulierten und riefen, was sie da wollen? In der Kabine!) haben alle Karten gespielt. Mit Block, viel Gelache und Geschrei. Ein Spektakel! Sie blieben auch am längsten, während um mich herum die meinsten schon schliefen. Selbst Familien mit kleinen Kindern schlafen dort. Offenbar sehr vertraut mit den Gegebenheiten. Respekt für diejenigen, die mir einer dünnen Decke oder nur mit einer Jacke unter dem Kopf dort schlafen können! Irgendwann habe ich mich getraut, meinen Schlafsack hervorzuholen. Aber nicht, mich hinzulegen, auszubreiten. Puh. Wie anstrengend. Die Gediegenen betrachteten mich ab und zu und zugegebenermaßen war mir das doch etwas peinlich.
Nonna und Nonna neben mir passten auf meine Klamotten auf, während ich noch mal unterwegs auf dem Schiff war. Ich war wirklich beeindruckt, was noch alles auf so einer Fähre vorhanden ist. Nicht alle Bereiche haben mich bisher interessiert, man läuft halt gewohnheitsmäßig die gleichen Wege auf einer Fähre.
So müde, wie ich nach der Anfahrt im Dauerregen und als alleinige Fahrerin war, musste ich jetzt einfach schlafen.
Ach, diese Kartenspieler, die Gediegenen, jetzt war ich echt genervt. Die Artisten waren weg, alles schlief, nur ich nicht. Irgendwann doch. Es war mal kalt, mal zu heiß, zu hell, der Schal über den Augen verrutscht (gut, in der Kabine sind die Voraussetzungen auch oft sehr unterschiedlich, versuchte ich mich zu beruhigen), Globuli eingeworfen...
Irgendwann dann, 2:10 Uhr nachts, fing gegenüber eine jüngere Frau an zu telefonieren. Lange. Meine Kopfhörer wurden ausgepackt, böse Blicke wanderten in ihre Richtung. Sie telefonierte eindeutig mit ihrem Typ. Er auf Lautsprecher. Gut zu hören. Um 4 hat sie immer noch telefoniert, das Schiff mal mehr oder weniger geschwankt. Ich versprach mir, dass nie mehr wieder zu machen! Eine neue Erkenntnis hatte ich auch: die Reiseübelkeit war nicht das Schlimmste auf der Reise.
Der Morgen kam, man konnte wieder raus. Wir waren aber erst in Höhe von Korsika! Linke Seite der Insel, obwohl ich Porto Torres gebucht hatte!
O.k., habe ich schon mal so erlebt. Bei wüstem Wellengang ist es auf dieser Seite ruhiger. Aber es wurde dann echt zäh. Nach der Anfahrt, der Nacht...
die Fähre, so erfuhr ich erst jetzt, wird in Olbia anlegen. Hat sie dann. Mit 4stündiger Verspätung. So ungefährt.
Die Rückfahrt wird anders. Das war mir auf jeden Fall klar.
War sie auch. Komplett! Erzähle ich - vielleicht - bald. Würde dann auch kürzer gehen. Vielleicht :).
Oh, doch noch etwas vorab: wir urteilen wirklich oft sehr schnell, wenn andere anders handeln, als wir es selbst tun würden. Aber auch im Falle dieser Überfahrt ist es doch ganz offensichtlich so, dass es viele Menschen gibt, die unbedingt auf die Insel möchten. Entweder ist die Fahrt aber zu teuer oder es gibt keine Kabinen, oder es gibt keine passende Hundekabine mehr oder man fühlt sich möglicherweise klaustrophobisch eingesperrt in einer Kabine. Es gibt bestimmt ganz viele Gründe, warum man lieber unter Menschen nächtigt oder auch nur draußen an Deck an der Luft.
Daher bitte ich um etwas Verständnis für Reisende auf anderen Wegen.
Und ich habe sehr viele Schlafende vor Augen, die mit ihrem Hund mit Übergröße auf dem harten Boden, im zugigen Flur gesessen haben, an die Wand gelehnt oder nur auf einem Handtuch gelegen... ich bin überzeugt, dass man dies nicht tut, um andere zu stören, ihnen den Platz in der bar streitig zu machen oder oder.
Es ist nicht leicht, sich dort in aller Öffentlichkeit zu offenbaren, so angreifbar zu machen. Wirklich nicht.
Giovanina
 
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