Il Nuraghe ≠ Der Nuraghe korrekt aber: Die Nuraghe ?

Beppe

Sehr aktives Mitglied
>90% aller Substantive im Deutschen mit Endung –e sind weiblich.

Enden Substantiv und Adjektiv beide auf –e ist das Substantiv grundsätzlich weiblich.
Insofern wird so das Adjektivattribut zwingend Femininum Genus-Substantivdeterminante, wenn beide auf –e enden.

Eine Nuraghe bezeichnet fast immer eine „Gebäudeanhäufung“ (mit Siedlungscharakter) und keine Singularität, d.h. es handelt sich bei Nuraghen nie um ein einzelnes oder besonderes Bauwerk wie z.B. um nur einen Turm.

Im Deutschen werden undefinierbare quantitative Einheiten immer auch im Singular bereits schon wie im Plural mit „die“ bezeichnet (was eine gewisse Unsicherheit und Unzuverlässigkeit in der Konkretheit beinhaltet).

Vergleichsweise wie bei „die Burg“, die ebenfalls nach Größe, Umfang etc. nicht direkt quantifizierbar ist, sondern lediglich eine allgemeine Gebäudegattung darstellt.

Das weibliche Genus „die“ bezeichnet schon im Singular eine nicht nähere, ungewisse oder nicht exakt konkretisierbare Sache nach Größe, Anzahl, Leistung, Volumen wie z.B. Lampe, Burg, Kiste, Turbine, Mühle, Kappe, Mütze, Dose, Kabine, Kugel, Pyramide, Leine, Leiter, Flasche, Tasse, Wand, u.ä.

Die analoge Übersetzung des italienischen „Il nuraghe“ mit „der Nuraghe“ ins Deutsche ist deshalb sprachwissenschaftlich und grammatikalisch falsch.

Es muß „die Nuraghe“ heissen.

Man übersetzt das italienische „Il Sole“ (der Sonne) – schließlich auch nicht so, sondern im Deutschen heisst es „die Sonne“ oder auch "il castello" (der Burg) wird im Deutschen übersetzt mit "die Burg". Das Genus der Ausgangssprache geht nicht automatisch in die übersetzte Sprache über.

Anscheinend haben sich einmal ein (oder auch mehrere) übereifrige deutsche Archäologen und selbsternannte Geschichtsschreiberlinge besondere Authentizität und Aufmerksamkeit mit dieser nichtkonformen Genuswahl einverleiben wollen oder waren insoweit sprachunkundig und haben das italienische „il“ 1:1 mit „der“ übersetzt.
Die Erben dieser „Irrtumsübersetzer“ haben das dann einfach so übernommen.

Es handelt sich hierbei auch nicht um ein Oikodonym oder Toponym, da es hiervon tausende Nuraghen gibt. Insofern ist die Bezeichnung hier als Kollektivum (Gattungsbegriff) zu verstehen und nicht als eindeutige propriale Bezeichnung wie z.B. der Kölner Dom, der Eiffel-Turm, der Peters Dom oder der Quirinalspalast.

Auch die griechischen Rundbauten namens Tholos werden im italienischen als „Masculinum“ geführt, werden im Deutschen allerdings als Femininum mit „die Tholos“ übersetzt.

Das Masculinum im italienischen ist ausschließlich auf die Vokalendung des Substantivs zurückzuführen. Würde das Substantiv „Nuragha“ lauten, dann hätten wir hier zwangsweise das Femininum „la nuragha“ und wir könnten uns dann hier die Diskussion um die richtige Übersetzung sicherlich sparen.

Fazit:
Der Artikel in der Ausgangssprache wird nicht automatisch mit dem gleichen Genus in der Zielsprache übersetzt.
 
Super, Beppe. Burg und Sonne hatte ich ja auch erwähnt. Danke für diese Erläuterungen. Wobei die unterschiedlichen Artikel bei Sonne und Mond sich auf die griechische und römische bzw nordische Mythologie zurückführen lassen.
Saludos
Helga
 
... Es muß „die Nuraghe“ heissen.

Es muss "die Nuraghe" heißen. [Wenn wir jetzt schon anfangen zu korrigieren, dann aber richtig!]


Fazit:
Der Artikel in der Ausgangssprache wird nicht automatisch mit dem gleichen Genus in der Zielsprache übersetzt.

Das sollte eigentlich jeder wissen, der irgendwann mal eine Sprache gelernt hat, oder?

IL MARE - DAS MEER - LA MER ... (IT - masculinum, D - neutrum, F - femininum)
 
@Beppe
schöne Abhandlung, Beppe, und durchaus korrekt.

Ein einziger Denk-/Logikfehler steckt drin (der aber am Ergebnis nix ändert):
Man übersetzt das italienische „Il Sole“ (der Sonne) – schließlich auch nicht so, sondern im Deutschen heisst es „die Sonne“ oder auch "il castello" (der Burg) wird im Deutschen übersetzt mit "die Burg". Das Genus der Ausgangssprache geht nicht automatisch in die übersetzte Sprache über.

Der/die/das Nuraghe ist keine Übersetzung, sondern ein Fremd- bzw Lehnwort. Weder im Deutschen noch in sonst einer Sprache gab es mangels entsprechender Bauwerke einen Begriff dafür. Es ist ein "endemisch" sardisches Wort, später natürlich auch italianisiert.
Bei Sonne und Mond ist die Problemstellung eine andere: in allen Sprachen gab es seit Anbeginn der jeweiligen Sprache eigene Ausdrücke für diese Himmelskörper; es war nicht etwa so, dass ein Bayer in vortouristischen Jahrtausenden bloß sagte: "Dieses ...ähh... helle Dings da oben", und man erst, als die Urlaube in Lignano begannen, auf die Idee kam, man könnte das Wort "sole" als "Sonne" übersetzen.
"il (der) sole" und "die Sonne" beruht darauf, dass es in nördlichen Gefilden eine Sonnengöttin gab, im Mittelmeerraum jedoch einen Sonnengott . Viceversa verhält es sich mit dem Mond: Im Norden ein Mondgott - der Mond, im Süden eine Mondgöttin - la (die) luna.

Insofern kann man das Geschlecht der Begriffe "Sonne" oder "Mond" nicht zum Vergleich mit dem Begriff "Nuraghe" (der übrigens auch als "Nurake" und sogar als "Runaghe" bezeichnet wird, und beide Formen haben ihre Berechtigung) heranziehen.

LG
peko

PS: im Alltag viel häufiger anzutreffen ist der Geschlechterkonflikt bei den Automarken: im Deutschen (das auch wir Österreicher gelegentlich sprechen) der Opel, der Fiat, der BMW. Ich fürchte den Tag, an dem unsere Frauenrechtsbewegung mitkriegt, dass es in Italien la Opel, la Fiat, la BMW heißt ...

PPS: Bei "Das weibliche Genus ..." ist sogar Dir ein Lapsus unterlaufen - muss heißen "Der weibliche Genuss"...
 
Peko

um Deine Anmerkungen noch zu ergänzen:

Bei Lehnwörtern geht nicht automatisch auch das Genus der Originalsprache in die Zielsprache über,
sondern hier kommen jeweils sprachsystematische Besonderheiten der jeweiligen Ziel- oder Adaptionssprache zur Anwendung.

Kleines Beispiel das Wort "Software".

Im Deutschen (Femininum): die Software
Im Italienischen (Masculinum): il software

Und zu Deinem letzten Satz bleibt anzumerken:

Der unstillbare weibliche Genuss ist dem Femininum sein Verdruß.
 
Anobius,

psst.... die Dudenkommission weis nix davon.

Ich hab' vor ein paar Jahren meinem neapolitanischen Neffen mal einen Ferienjob bei denen besorgt.
Für ein kleines Zubrot hat das Cleverle dann auf meinen Korrekturwunsch hin die Datensätze ausgetauscht.;)
 
Beppe,
Das Masculinum im italienischen ist ausschließlich auf die Vokalendung des Substantivs zurückzuführen. Würde das Substantiv „Nuragha“ lauten, dann hätten wir hier zwangsweise das Femininum „la nuragha“
Scusa. Mein italienisch ist zwar noch nicht sehr gut, aber was ich gelernt habe ist: nichts ist ausschließlich und zwangsweise schon gar nicht :D

Die Vokalendung alleine ist keine 100%ige Regel, denn männliche mit "a" gibt's : il tema (nicht la tema)
Ist zwar Eigenname, aber: il Malaga
Umgekehrt mit "o" auch mal weiblich: la mano

Die Zwitter gefallen mir jedoch am Besten: il muro
Wenn sich eine männliche Mauer vermehrt, sind sie weiblich: le mura :p
 
A proposito Anobius,

eigentlich sollte man ja auch einmal Volkes natürliches, gesundes Sprachgefühl befragen,
ob es sich denn nun sprachgefühlt wohler mit

1. die Nuraghe

oder

2. der Nuraghe

fühlt.
 
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