Sard. Essen Trichinose

Forumarchiv

(Beitrag aus dem alten Forum übernommen)
Autor: bo-ju
Datum: 12.01.11 12:19

Frank,

Könntest du bitte mal herausfinden, ob in Italien-Sardinien die Trichinenbeschau bei Schweinen (plaus Wildschweinen) genau so zwingend vorgeschrieben ist wie in Deutschland? War der Ausbruch der Trichinose in Orgosolo also nur eine Schlamperei des Freundes, der der Familie Schweinefleisch geschenkt hat ohne die nötige Untersuchung vorher machen zu lassen, oder könnte sowas überall und zu jeder Zeit dort passieren? Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Wie ist das im Lebensmittelgesetz geregelt? Gruß Ju
 
Autor: pekoat
Datum: 12.01.11 19:56

Hallo Ju,
mag sein, dass die Beschau vielleicht - wahrscheinlich? - vorgeschrieben ist.
Fakt ist jedoch, dass uns unser jagender Nachbar immer wieder Klumpen von Fleisch bringt, wenn ihm ein cinghiale vor die Flinte gelaufen ist (wir hoffen zumindest, dass es immer ein cinghiale war und kein Jagdkumpan...).
ebenso, wenn in der Nachbarschaft geschlachtet wurde.
Ich denke, dem Fleisch aus dem Supermarkt (etwa dem Eurospin in Valledoria mit seinem für die Qualität bekannten Fleischer) kann man einigermaßen vertrauen.
Bei Fleisch aus Hausschlachtungen oder von der Jagd bin ich ebenso sicher, dass das nie ein Veterinär zu Gesicht kriegt.
Da aber Trichinen wie auch bakterielle Krankmacher große Hitze nicht überleben - einfach kein rohes (Tartar) oder halbrohes (das beliebte rosagebtratene Filet vom Grill) Fleisch konsumieren, dann dürfte kaum was passieren.

peko
 
Autor: bo-ju
Datum: 12.01.11 21:35

Hallo Peko,

Das glaub ich ja auch. Die müssen ein rohes oder halbrohes Stück erwischt haben ohne die nötige Vorsicht walten zu lassen.

Im übrigen könnte ich mir vorstellen, dass zwischen cinghiale und cacciatore farblich und geschmacklich Unterschiede bestehen. :))))))) LG Ju
 
Autor: pekoat
Datum: 12.01.11 22:10

=== dass zwischen cinghiale und cacciatore farblich und geschmacklich Unterschiede bestehen ===

Das wird wohl so sein, zumindest kann man schon in Kiplings Dschungelbuch nachlesen, dass man von Menschenfleisch die Räude kriegt und einem die Zähne ausfallen. Wenn ich da an die vielen Glatzerten mit Zahnlücken denke .... ;-)))
An optischen Unterscheidungsmerkmalen zwischen cinghiale und cacciatore scheint's jedoch zu mangeln, weil sie vorigen Herbst bei uns schon wieder einen erschossen haben ....

LG
peko

... aber so ein Schweinsbraterl ist trotzdem was Feines, mit Kraut & Knödeln ...


 
Autor: LoSvizzeroDiOrosei
Datum: 13.01.11 02:52

Fast jeder Sarde besitzt mindestens ein Schwein und geschlachtet wird meistens kumpelig zuhause ohne das der Amtstierarzt die rechtlich vorgeschriebene Fleischbeschau vornimmt. Ab und zu geht das halt schief.....
Meistens kommen Trichinosenfälle durch den ebenso hausgemacht Salsicce Sarda oder Schinken zustande das das Fleisch dabei nicht erhitzt wird.
Die Sarden braten/grillieren normalerweise Schweinefleisch sehr lange -und für meinen Geschmack zu lange- der Grund dafür liegt aber eben genau in der Verhütung der Trichinose.
http://de.wikipedia.org/wiki/Trichinen

Christian

Nachricht bearbeitet (13.01.11 02:54)
 
Autor: Frank K.
Datum: 18.01.11 18:52

HI BO-JU ,

die Lokalzeitungen (Unione sarda, nuova sardegna ) schreiben heute , dass die Untersuchungen den selben Larventyp der Trichinellose im Fleisch der Familie ( 5 Personen erkrankt ) gefunden haben , wie in den vergangenen Jahren 2005 u. 2007. Mit anderen Worten die Parasiten leben also unter den freigrasenden Tieren und Wildtieren im Umland von Orgosolo weiter .
Vorsicht ist geboten !
Oder niemals das Fleisch roh oder nur halb gebraten essen.Denn auch im Freezer überleben einige wenige Larven , wie auch die Analysen zeigten !!!
Denn die Larven ,die dann zu Würmer werden, könnten sich auch am Herzmuskel vergreifen und dann ists tödlich.
Die Meldepflicht besteht in Italien auch für so Vorkommnisse, EU GESETZTE !!!.

Italien hat in Sachen Lebensmittelschutz oft strengere Regeln als nördlich der Alpen.
Ob diese Regeln nun wirklich dort oben in den Bergen durchgeführt werden....anscheinend nicht ???
Es war also kein böses Geschenk des Freundes der Familie , sondern teilweise eher "kulturell zurückgebliebene Esskultur", das rohe Essen von Fleisch, der Gegend. Denn so weit mir bekannt ist , passiert es immer dort.

LG F.

Nachricht bearbeitet (18.01.11 19:20)
 
Autor: LoSvizzeroDiOrosei
Datum: 19.01.11 14:23

Frank K. schrieb:

>sondern teilweise eher "kulturell zurückgebliebene Esskultur",
> das rohe Essen von Fleisch,

Jedes Land in dem Salami, Wurstwaren, Trockenfleisch, etc. verzehrt werden leidet laut deiner Meinung nach unter einer kulturell zurückgebliebenen Esskultur.
In Deutschland und der Schweiz wird doch auch rohes Fleisch gegessen? Oder?

Kopfschüttel!

Christian
 
Autor: LoSvizzeroDiOrosei
Datum: 19.01.11 16:32

Ich hatte einen langen Artikel zum Tema geschrieben, kann Ihn aber nicht hochladen da er offenbar als Spam beurteilt wird...
ÄRGER!

Daher nochmals in neuer, abgekürzter Form:

Das Schlachten zuhause für de Eigenbedarf ist in Italien in ländlichen Gebieten gang und gäbe und erlaubt, auf Sardinien zumindest ist es unter anderem so das das Zwerchfell dem Amtstierarzt zur Untersuchung auf Trichinien übergeben werden muss. Das machen aber die wenigsten...
Fakt ist das 2005, 2007 und nun 2011 3 Fälle von Trichinienerkrankungen NUR in Orgosolo auftraten, Nur durch den Verzehr von "Salsiccia Sarda" oder anderen rohen Fleischwaren wie Schinken, Coppa, etc. auftraten die NUR von Schweinen die in dem Gebiet "Su Pranu" geweidet haben kamen.
Bei dem Konsum von hausgeschlachteter und hausgemachter "Salsicce Sarda" den die Sarden haben wären andere Trichinienfälle sehr schnell bekanntgeworden.

Die Artikel in der "La Nuova Sardegna" zum Thema:
http://lanuovasardegna.gelocal.it/context-nav/trichinellosi

Artikel zur Trichinose:
http://195.45.99.81/izs/modules/sec...chinella/rischio_trichinella_carni_maiale.pdf
http://www.sardegnasalute.it/index.php?xsl=313&s=40891&v=2&c=3434
EG-Norm zur Verhütung von Trichinien im Fleisch:
http://www.sardegnasalute.it/documenti/9_99_20070219163235.pdf

Artikel über die Gesetzeslage zur Hausschlachterei:
http://www.ilprogressoveterinario.it/rivista/00n22/05.htm

Christian



Nachricht bearbeitet (19.01.11 16:39)
 
Autor: Frank K.
Datum: 20.01.11 10:53

Lieber Christian ,

(übrigens kenne ich Lisa und Gavino von Keya auch , vielleicht schon länger als du...)

"die zurückgebliebene Esskultur", liegt darin , dass die Bürger einer bestimmten Gegend wie Orgosolo trotz mehrer Vorfälle ( ab 2005 ) der Trichinose , weiterhin alle Ordinanzen des Bürgermeisters, Ratschläge der Gesundheitsamtes (ASL) oder Extra-Gestzte der Regione (damals unter Soru) einfach ignorieren und damit das Leben anderer aufs Spiel setzen.
Wie wollen wir das denn nennen "höchstintelligente Nahrungsaufnahme" ?
Zumindest lasse ich das Fleisch dann gut brutzeln auf einem schönem Grillfeuer, sicherheitshalber.
Wenn mir was an meiner Familie oder meinen Freunden liegt , und ich kein anderes gescheites Geschenk für sie finde als ein getötetes Wildschwein , dann lasse ich es doch mittels einer Fleischprobe kurz von der ASL untersuchen um sicher zugehen, wenn bei mir vor der "Haustür" die Parasiten seit Jahren von wildgrasendem Tier zu Tier "springen", oder ???

Versteh mich nicht falsch , ich biete meinen Gästen ab und zu auch u.a. Wurst aus DER Gegend an , z.B. die gute Salsiccia u.a. aus Irgoli ,die mit M anfänft und mit u aufhört,die aber kontrolliert ist.
Aber wie aus den Zeitungsberichten hervorgeht spielt auch hier die Omertà eine entscheidende Rolle wie so oft auch bei den zahlreichen Delikten dieser Gegend.
LG Frank.

Nachricht bearbeitet (20.01.11 15:15)
 
Autor: bo-ju
Datum: 20.01.11 14:52

Ach ja, Frank,

Die gute Irgoli-Wurst gehört auch zu meinen Favoriten, obwohl ich längst weiss, dass ca. 1/4 der Schweine, die darin verarbeitet werden, aus Deutschland kommen. Aber wenigstens vertraue ich den Kontrollen. Die Firma hat einen Ruf zu verlieren. Also werden sie eventuelles Dioxin .......

Genug. Jedenfalls steht fest, dass Trichinenbeschau im Prinzip vorgeschrieben ist. Wenn auch nicht immer befolgt wird, mit den bekannt üblen Folgen.

Danke, auch an Christian, für die Auskunft. LG Ju
 
Autor: P1
Datum: 20.01.11 16:05

Wäre es vielleicht möglich die zweifelhafte Herkunft etwas genauer anzugeben, weil wir uns wahrscheinlich auch in der Gegend rumtreiben werden.
Danke derweil, Hans
 
Autor: P1
Datum: 21.01.11 11:05

Danke Ju, hatte ich gelesen schien mir aber auf den ersten Blick nicht genau genug, aber passt schon wir werden dem aus dem Weg gehen.
Hans
 
Autor: LoSvizzeroDiOrosei
Datum: 21.01.11 13:07

P1,
die wahrscheinlichkeit als Tourist auf Sardinien an Trichinellen zu erkranken ist gleich null.
Wer da lebt und die hausgemachte sardische Salsicce liebt (wie ich) könnte sich theoretisch mit Trichinellen infizieren, die wahrscheinlichkeit dafür ist aber extrem gering.
Ich fahre sein 1982 mehrmals jährlich nach Sardinien und lebe seit 1996 dort und bewege mich hauptsächlich in einer sardischen agro-pastoralen Umgebung wo das selber schlachten und wursten zum Alltag gehört und ich hab mich niemals in irgendwelcher Form am Essen vergiftet und halte die Sarden für ausgesprochen erfahrenen und vorsichtig im Umgang mit Esswaren.

Die Trichinosenfälle in Orgosolo sind eine seltsame Geschichte und vieles daran passt nicht ganz ins allgemein gültige Bild über Trichinien.
Eigentlich müssten die Trichinien dort im "Su Pranu" schon längst ausgestorben sein und seltsamerweise hatten die tiefgefrorenen Fleischstücke immer noch lebende Trichinien drin, was ebenfalls nicht sein sollte.

Wer in Orgosolo von einer Privatperson zum Essen eingeladen wird, und da Salsicce, Schinken oder ähnliche "rohe" Fleischsorten sollte sich vieleicht besser als Vegetarier ausgeben.

Christian
 
Autor: P1
Datum: 21.01.11 17:02

Danke Christian, es wird mich wohl niemand zum Essen einladen, aber Vegetarier nimmt mir auch niemand ab.
 
Autor: LoSvizzeroDiOrosei
Datum: 21.01.11 21:03

P1,
Vegetariere haben schlechte Karten auf Sardinien...
ich kenn kein Land wo so ausgiebig, lecker und mit Lust grilliert wird,
und es ist der Stolz eines jeden Sarden seine eigene Schinken, Würste, Purpuzza (sowas wie Salsiccefüllung ohne Haut) , Cordedda und Tattaliu Wurst aus Schafsdarm, Tattaliu sind Innereien mit Schafsdarm umwickelt) Testa in cassa (Schwartenmagen), und natürlich das wichtigste, seinen eigenen Wein zu machen.
Sardinien ist zweifelslos einer der ersten Adressen für "slow food" und das Land - von denen die ich kenne- wo am meisten Liebe in die Zubereitung kulinarischer Leckerbissen gesteckt wird.
Daher reagiere ich allergisch wenn Worte wie "rückständige Esskultur" fallen.

Christian
 
Autor: P1
Datum: 22.01.11 07:49

Lieber Christian,

ich hatte da einen netten Gedankenaustausch im KorsikaForum, den Schlußsatz meines Gesprächspartners möchte ich Dir nicht vorenthalten.

"Ich würde es mal so beschreiben, wir sind seit etwa 2 Jahrzehnten regelmässige Urlaubspendler nach Corsica und Sardinien.
Wobei mein Herz eindeutig Corsica gehört, mein Gaumen sagt Sardegna."

In diesem Sinne, ich freue mich schon auf die Gaumenfreuden, nur auf eine Trichinose bin ich natürlich nicht scharf, aber Du konntest mich beruhigen.

Grüße Hans
 
Autor: Frank K.
Datum: 04.02.11 09:13

Ein neuer Fall von Trichinose , wieder in Orgosolo ,
ein 15jähriger ist ins Krankenhaus Nuoro eingeliefert worden . Auch seine Familie steht unter medizinischer Beobachtung.
 
Autor: Frank K.
Datum: 06.02.11 19:23

6000 heimlich wild gehaltene Schweine in der Gegend des Supramonte , genauer Orgosolo Su Pradu , Landstrich ohne Regeln , in der auch kranke Tiere an den Ufern des Olai-Sees (Wasserstausee,der die halbe Provinz von Nuoro mit Trinkwasser versorgt), weiden und grasen. Seit 2005 bis heute in drei Ausbruchswellen der Trichinose landeten 27 Personen im Krankenhaus, infeziert vom Parasiten der Trichinose , die im rohen Fleisch (über-)leben.
Im Rest von Italien seit Jahren längst verbannt , lebt sie dort weiter und in den ärmsten Landstrichen Rumäniens.
Auch die Bürgermeister der Nachbargemeinden-Fonni,Urzulei oder Oliena sind nun besorgt.
Experten wie Professor Pozio von der obersten Gesundheitsbehörde reden von einer "Verseuchung die sich ausbreitet".
Jeden Montag und Donnerstag stehen Leute Schlange vor der Aussenstelle der Gesundheitsbehörde um Proben untersuchen zu lassen und Formulare ausfüllen um auf die Herkunft der Fleischproben zuschliessen , doch der Grossteil der Leute lässt sich nicht blicken und schlachtet und verzehrt weiter ohne den gesetzlichen Gütesiegel des Veterinärs.
"Dass was die Leute nicht verstehen wollen" - so der Professor- "ist,dass es sich hier nicht um eine Krankheit handelt , die man auf die leichte Schulter nehmen sollte , denn die Trichinose kann vorallem wenn sie auf Menschen mit Allergien oder Hang zu Allergien trifft, auch tödlich sein".......

(QUELLE . Unione sarda , heute , seite 6 )

Nachricht bearbeitet (06.02.11 19:25)
 
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