Saisonbeginn

Sandokan

Sehr aktives Mitglied
oder.

ein nicht ganz allzu ernst gemeinter Beitrag zum Saisonstart 2014....

da ich ja seit 2008 in (oder auf) Sardinien fest lebe, habe ich mich ja doch mittlerweile an die hiesigen Gepflogenheiten gewöhnt und weiß so ziemlich genau, daß meine Mitmenschen hinsichtlich Organisation arge Defizite haben, aber in Sachen Improvisation unschlagbar sind. Needless to say habe ich doch noch im Jahr 2014 immer noch meine großen Schwierigkeiten damit von meiner deutschen Organisation zur sardischen Improvisation zu switchen und versuche aus meiner Not eine Tugend zu machen. So recht will mir das aber nicht gelingen, zu sehr bin ich in meinem eigenen Korsett geschnürt.

Heute Morgen.

Anruf um 07:30 von der Villa Mimosa. Kunde klagt daß er kein Wasser hat. 07:32 Uhr. Kunde der Villa Ginepro klagt über mangelnden Wasserdruck. 07:36 Uhr: Kunde der Villa Gazania beklagt sich darüber, daß er die Klospülung nicht mehr betätigen kann. 07:38 Uhr: die Gäste der Villa Ginestra monieren, daß sie nicht mehr duschen können. Ich bin mir im Klaren, daß es hier ein größeres Problem in der Wohngegend gibt.

07:42 Uhr: Ich rufe den Gebietschef von Abbanoa an der mir mitteilt, daß die Gesellschaft die zwei Wasserwächter des Wasserbeckens vor einer Woche gefeuert wurden und seither niemand mehr die Wasserversorgung in Baja Sardinia, Lu Postu, Teile von Cannigione, Santa Teresina und San Pantaleo kontrolliert. Ich kann dat aber unmöglich meinen Gästen erzählen und bitte Antonello dorthin zu fahren und verspreche ihm im zur Belohnung im Herbst ein halbes Wildschwein, Öl und ein tolles Fest falls er mir hilft. Weil ich schon gerade dabei bin, entschuldige ich mich bei Antonello's Frau daß ich ihren Mann so früh aus dem Bett geworfen habe. So langsam baut sich der Wasserdruck wieder auf und ich atme auf.

09:30 Uhr: Villa Mimosa vermeldet Stromausfall und kurz danach auch Ginestra, Ginepro, Gazania, Stefano, Stefania und mein Telefon steht keine 2 Sekunden mehr still. Ich erreiche den Verwalter Paolo der mir mitteilt, daß sein Cousin Giovanni bei einem verunglückten Manöver mit dem LKW einen Strommasten ümgesäbelt hat - man müsse ja verstehen, er habe seit 20 Jahren nicht mehr auf einem LKW gesessen. Nutzt mir nix: Die Gäste hatten 15 Minuten Wasser und jetzt keinen Strom mehr und müssen sich auf Abenteuerurlaub einstellen.

So bitte ich Antonello dem Giovanni auszurichten das der Paolo doch den LKW aus dem Graben zieht und danach Antonello bitte zum Wasserbecken führt. So langsam komme ich durcheinander und´in die Bredouille zumal ich um 09:30 Uhr ein Seglertrupp an der Tankstelle wartet um ins Naturschutzgebiet zu segeln.

In der Eile hechle ich von Zuhause los und habe aber vergessen meine Dogge Nikita anzuleinen die sich aus dem Haus befreit und mich im gesamten Ort sucht und die Gäste terrorisiert, so daß ich zwischen Antonio, Paolo, Giovanni, Antonello und der im Ortskern befindlichen Sabbeldogge abholen muss. Das letzte Mal ging die Kuh in die Kirche rein und hat aus dem Taufbecken getrunken um anschließend in der Konditorei vor den Torten zu stehen.

In der Zwischenzeit melden sich auf dem Handy eine englische Ferienhausvermittlung mit pakistanischem Akzent: "Gud moning, we'le calling you flom holidaylentals dot com" an und auch Vodafone beglückt mich mit einem Anruf ausm Call Center und will mir Gratisminuten verschenken. Ich biete denen 2 Doggen im Austausch an und das Gespräch hat sich erledigt.

Der neue Gehilfe von Angelo dem "Bombolista" (eine Wortschöpfung von mir für den Typen, der die Gasflaschen bringt) hat sich im Dickicht des Borgo I Cedri verfranzt und weiß nun nicht mehr so recht, ob er nun 10 kilo, 15 kilo oder 25 kilo Gasflasche bringen soll und ob es nun die Nummer 31, 34, 35 war. Luciano empfiehlt Antonio anzurufen der ihm aber ausrichten lässt, daß er derzeit an einer Baustelle des Antonello arbeitet an dem Giovanni die Stromkabel umgerissen hat und sich herzlich wenig um Gasflaschen scheren kann. Falls er aber eine herrenlose Dogge im Ort sieht, soll er doch aber bitte Bescheid geben.

Dieses ganze Chaos hat doch irgendwo auch seine Ordnung und ich husche durch den Ort mit einem nicht zugelassenen Auto mit Phantasiekennzeichen aus Bahlingen (BL) herum, weil mein Auto in der Werkstatt des Schwippschwagers des Antonio zur Reparatur steht und das eines meiner geringsten Probleme ist *g. Die Mitteilung eines Gastes, daß er die VPN Nummer benötigt habe ich im gleichen moment vergessen (what the hell ist eine VPN Nummer ?) und mon dieu ist mir das jetzt gerade egal, daß das Auto die TÜV-Plakette letztmalig 1997 gesehen hat.

16:55 Uhr. Die Sonne scheint. Deutschland hat 4:0 gewonnen. Wasser da, Strom da, Hunde da, Giovanni, Giuseppe, Antonello, Antonio, Davide und Massimiliano haben sich zum Kaffeetscherl an der Bar getroffen und meine Welt ist wieder in Ordnung.

Für heute zumindest.

Marco
 
Hallo Marco,

also der übliche Alltag. :)

Das mit dem Callcenter muß ich mir merken, biete Gänse im Autausch. Oder will einer von Euch die Gänse? Bei uns findet zur Zeit ein Fuchs einen "gedeckten Tisch". Eine Gans hat er schon gerissen und in der nächsten Nacht eine angefallen. Gitta, wie eine Furie dazwischen und Gans, zwar verletzt, aber gerettet. So soll es natürlich nicht weitergehen. Ein Jahr hatten wir mal wieder Ruhe, da wurden die Hühner gerissen.

Wer will die Gänse? Noch sind vier zu haben.

LG

Dieter
 
ah, che bello ... wunderbar geschrieben... das Gegenteil des 'nine-to-five-Routinebürojobs' !!! musste mir beim Lesen das Geschehen bildlich vorstellen ... schöne Wortwahl;
 
wie herrlich entspannend und lustig sich die geschichte eines solchen pannentages doch liest!

marco, für den rest der saison wünsche ich dir weniger katastrophen und dramatik (... aber falls doch, solltest du unbedingt berichten;))

gruß - daisy
 
Ja, so ist es dort. Und ich liebe es so. ( Ein Volk von Individualisten ) Aber nach drei Wochen mag ich meist auch wieder

meine geregelten Bahnen.
 
Danke Marco, ich habe diesen Morgen mit einem Lachen begonnen, auch wenn es für dich ganz und gar nicht lustig war ....
Ich wünsche dir eine ruhige Saison, in der du mehrfach dein Handy checken musst, weil es einfach nie klingelt.
Ganz besondere Grüße an Nikita, die mir vor der Tortenvitrine stehend ganz besonders nahe ist :)
 
Marco, ich hoffe ich kann mir das in ein paar Wochen mal live und in Farbe angucken.

Gruß,
Michaela

Na, Michaela, willste wirklich in einem Haus ohne Wasser und Strom wohnen und Abenteuerurlaub machen???

Das glaub' ich dir jetzt aber nicht ...

LG - Barbara ;)
 
wie herrlich entspannend und lustig sich die geschichte eines solchen pannentages doch liest!

marco, für den rest der saison wünsche ich dir weniger katastrophen und dramatik (... aber falls doch, solltest du unbedingt berichten;))

gruß - daisy

Nur war dem guten Marco sicherlich den ganzen Tag über inmitten dieses ganzen Chaos so gar nicht zum Lachen, oder?

Lesen tut sich die Geschichte natürlich wie Comedy vom Feinsten! Chapeau!

LG - Barbara ;)
 
Danke Marco
Du hast mir heute morgen ein Grinsen auf mein Gesicht gezaubert :)
Du hast da sicher nichts zu lachen ....aber genau so ist es . Man packt das alles nur mit viel Humor . Aber den scheinst du ja zu haben.
:):):)

Gruß Astrid
 
Fragt sich nur, wie lange noch?

Auch wenn man als Italiener in D aufgewachsen ist, hat man doch ein wenig mehr vorausschauendes Organisationstalent in sich als die Leute auf der Insel. Und da prallen halt immer wieder Welten aufeinander.

Für mich ist das der Grund, warum ich keinesfalls auf Dauer in I leben möchte.
 
Hallo Marco,
Du solltest deine Memoiren schreiben, ein verkanntes schriftstellerisches Talent!
Bis dahin könntest du diesen Beitrag in Sabine1s Reisebericht kopieren?
Das sind die praktischen, lebensnahen Ausführungen, um die Thematik Organisation vs Improvisation näherzubringen.

Viele Grüße
Petra
 
Einfach herrlich zu lesen, wirklich ein verkappter Schriftsteller. Aber da muss ich Barbara recht geben, das wäre für mich auch Grund nicht dauerhaft dort zu leben.
LG
die Andere Barbara
 
Hi Sandokan,

hach, das tut gut zu lesen! Sowohl inhaltliche Aussage als auch Schreibstil :)
Da wir keine Gewerkschaft haben, die ihre Nase in unseren Arbeitsalltag hängt, falls dieser mal am Rande des Wahnsinns herumschrammt und bislang auch keine Selbsthilfegruppe für im Tourismus tätige importierte Sardinienbewohner existiert freue ich mich kollossal kollegial über diese wunderbare Schilderung und deren glücklichen Ausgang :) :D:)+:rolleyes:

Saluti in den wilden Osten

Christine
 
Eben der ganz normale Wahnsinn.Für einen Behördengang,muss man mit Fahrzeit,schon mal 1 Tag einrechnen.

Bea2
 
Eben der ganz normale Wahnsinn.Für einen Behördengang,muss man mit Fahrzeit,schon mal 1 Tag einrechnen.

Bea2

ja, das ist unglaublich.... wer das in Italien schon einmal erlebt hat, denkt danach ganz anders über die deutschen Behörden....
 
Das Alltagsleben auf Sardinien ist ganz anders als man sich das vorstellt, wenn man nur im Urlaub dort ist. Am Anfang, als ich mein Domizil auf Sardinien verwirklicht hatte, hatte ich geplant, später einmal dorthin zu ziehen. Nun, nachdem ich über viele Jahre das Alltagsleben kennen gelernt habe, mit Behördengängen und dem ganz normalen Wahnsinn, bin ich von meinem Plan abgekommen und gönne mir Sardinien weiterhin als Urlaubsziel und bleibe in D, auch wenn es hier vor lauter Geordnetheit oft langweiliger ist. Aber ich schätze das Leben in D jetzt mehr als früher, auch die deutsche Landschaft nehme ich bewusster wahr, weil ich weiß, dass auch das Leben hier schön ist, hier und da. Ich bin eben ein Glückspilz:):) und ich bin mir dessen bewusst.

@Sandokan
Herrlich, deine Schilderungen vom Saisonbeginn. Ich wünsche allen eine gute Saison, gute Nerven und Humor.
 
Zuletzt geändert:
Hallo Ihr Lieben,

upps - ich hätte nicht gedacht daß mein Beitrag so viel Zustimmung findet und mir stand auch nur der Sinn danach einen Modelltag zu schildern. Ich könnte sicherlich noch einige Dutzende hinzufügen, spare ich sie mir doch für die Schenkelklopfer im Winter mit Freunden vor dem Kamin auf so nach dem Motto: "weißt Du noch diesen Sommer.......".

Daß solche Dinge wenn sie passieren natürlich in dem Moment an den Nerven zehren ist dem Überbleibsel meiner Teutonengene geschuldet. Aber noch mehr regt mich ja dann die stoische Gelassenheit der Verantwortlichen auf, die mich mit einer Mischung aus Neugier und Häme anschauen und auf deren Stirn zu stehen scheint: "Was regt denn der sich jetzt gerade eigentlich so auf ?"

Ich bin in meiner geistigen Planwirtschaft schlicht nicht in der Lage mit den Mitbegründern der hiesigen Chaostage Schritt zu halten und bewundere sie andererseits dafür, auch dann die Fassung zu wahren, wenn alles aussichtslos erscheint. Irgendwo findet sich immer ein Giovanni, Antonio, Giuseppe, Edoardo, Francesco und Stefano der einem aus der Patsche hilft und ihnen allen schulde ich Dank.

Einen Vorteil hat das Ganze natürlich auch: Wenn man selbst mal Mist macht, fällt das nicht weiter ins Gewicht - es ist sozusagen im Preis mit inbegriffen und Giovanni, Antonio, Giuseppe undsoweiter nicken das bestenfalls mit einem üblichen "cess.." (gesprochen "Tschess", was eine Mischung aus dem deutschen "TZ" und dem italienischen "Gesú" - oh Jesus) ab.

Und jetzt ran ans Werk und lass uns das Problem lösen, denn morgen haben wir ja drei Neue :) Und dann hauen Sie Dir ja mit ihren Händen wie Schaufelradbagger auf die Schulter, so daß mir die Lungenflügel raushauen.

Achja....Lokalkolorit eben.

In diesem Sinne.

Marco
 
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