'Sa paradura' - ein alter sardischer Brauch

Beppe

Sehr aktives Mitglied
'Sa paradura' - ein alter sardischer Brauch

Was ist 'Sa paradura'?

Sa paradura" ist eine uralte Geste der Solidarität in der sardischen Hirtenwelt, bei der alle Züchter mobilisiert werden, wenn ein Kollege aufgrund von z.B. Naturkatastrophen, Seuchen, Verbiß oder aus anderen Gründen seine Herde verloren hat.

Hierbei spenden/schenken die übrigen Züchter/Hirten den Geschädigten jeweils 1 oder auch mehrere Schafe (für den Aufbau bzw. Neuanfang mit einer neuen Schafherde).

Es ist ein archaischer Ritus, der sich im Laufe der Zeit oftmals wiederholt:
Vor etwas mehr als 3 Jahren gingen sogar sardische Hirten (mit rund 1000 gespendeten Schafen!) nach Umbrien, um ihren Kollegen, die durch das Erdbeben dort alles verloren hatten, hierdurch eine Botschaft und ein greifbares und konkretes Zeichen der Verbundenheit und auch ihre Unterstützung zu bringen.

Und auch heutzutage wiederholt sich "sa paradura" oftmals mit der Ankunft derjenigen Lämmer, die von den vor einem Jahr gespendeten Schafen geboren wurden, auch auf Sardinien. Aber auch dieses Mal werden sie dazu dienen, einigen sardischen Schäfern, die aus verschiedenen Gründen ihre Herden verloren haben, eine Chance auf Erholung bzw. auf einen Neuanfang zu bieten.

Eine tolle Form von Solidarität, Hilfsbereitschaft, Nächstenliebe, Sozialverantwortung und direkter und tatkräftiger Unterstützung der Geschädigten und Betroffenen.

Hoffen wir mal, daß dieser uralte Ritus auch in der Zukunft erhalten bleibt und nichts von seinem gesellschaftlichen Brauch bzw. auch hoffnungsvollen Notwendigkeit verliert.
 
Zuletzt geändert:
@rocky

ein schönes Beispiel einer 'sa paradura' - Aktion in Tertenia.

In dem von Dir eingestellten Artikel hatten Unbekannte dem betroffenen Schafzüchter an die 90 Schafe abgeschlachtet.

In einer konzertierten Aktion aus dem ganzen Umland spendeten die anderen Züchter insgesamt
etwa 40 neue Schafe sowie Futtersäcke, Heuballen und weitere Geldspenden.
 
Ob Vandalismus ein Grund ist, eine Verbindung zu dem alten Brauch sa paradura herzustellen, sei dahingestellt. Es sind doch aus Tradition Naturkatastrophen wie Erdbeben, Feuersbrünste Überschwemmungen, Seuchen... Auf jeden Fall ist die Hilfsbereitschaft der Sarden aus Tradition sehr groß, ohne Gegenleistung, nur mit der moralischen Verpflichtung, umgekehrt auch anderen zu helfen. So verlangt es wiederum der Brauch sa paradura.
 
Wenn diese Solidarität, so wie früher, überall funktionieren würde, dann könnten die Versicherungskonzerne nicht Milliarden an der Angst der Menschen verdienen.
 
@Georgie

Sa paradura macht keinen Unterschied, ob des zurückliegenden Schadensgrundes wie z.B. abigeato (Viehdiebstahl), atto vandalico (Vandalismus) oder eben auch von Naturkatastrophen oder Viehseuchen.

Hierbei geht es einzig und alleine darum, den Betroffenen in der Gemeinschaft wieder eine Perspektive und einen Neustart zu ermöglichen, der ohne diese Hilfe vielfach einfach unmöglich wäre.

"Sa paradura" oder "S'Aggiudu torrau" (die zurückgegebene Hilfe) besteht insofern aus der Hilfe,
die jedes Mitglied einer Gemeinschaft freiwillig und unentgeltlich einem anderen Mitglied gab,
wobei letzterer dies bei der sich ersten bietenden Gelegenheit auch wieder zurückgab/weitergab
(an den nächsten Bedürftigen).

Interessant übrigens:
Wurden oder werden z.B. eine Vielzahl von Schafen gleichzeitig an mehrere Betroffene Züchter verteilt, dann wird das "a stumbu" durchgeführt.

A stumbu heißt: ein Kind wählt mit verbundenen Augen die Schafe aus, die dann dem jeweiligen Betroffenen zugeteilt werden. Dies soll die etwaige Übervorteilung von Betroffenen bei der Zuteilung verhindern und so eine "gerechtere" (zufälligere) Zuteilung ermöglichen.
 
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