Gestern - strahlendblauerwolkenloser Himmel, Sonne pur, nahezu windstill, 27 Grad. An solch einem Tag keinen Ausflug zu unternehmen, wäre glatte Schönwetterverschwendung.
Uns zog es diesmal in die Gegend um Ozieri im Norden der Insel, eine Ecke, die uns bislang noch nicht so geläufig war. Durchgefahren ja, etliche Male, aber dort ein wenig umgesehen hatten wir uns noch nicht.
Von den zahlreichen Attraktionen dieses Gebietes haben wir uns drei für einen gemütlichen Nachmittagsausflug (am Vormittag hatten wir auf die von @Beppe versprochene Aurora Borealis gewartet ;)) herausgesucht:
Die Grotta San Michele in Ozieri, die allein schon durch ihre Lage direkt im Ort außergewöhnlich ist. Der Eingang befindet sich unmittelbar hinter dem (gebührenpflichtigen!) Krankenhaus-Parkplatz in einer Kalksteinklippe, auf der oben ganz normale Wohnhäuser stehen. Da es die Sarden nicht so mit zielführenden Tafeln und Beschriftungen haben, ist schon allein die Anfahrt durch die engen Gassen des Bergdorfes ein Abenteuer für sich. Brauchbare Italienischkenntnisse (zum Weg Erfragen) sind genauso hilfreich wie ein kleines, wendiges Fahrzeug.

DSCN3133.JPG

Wir haben tatsächlich schon viele Höhlen auf Sardinien besucht, erschlossene und "wilde", mit und ohne Tropfstein, aber eine dermaßen zerklüftete, vielwinkelige, aus unzähligen Räumen und bizarren, hautengen Verbindungsgängen, eher Schlupflöchern, bestehende, aber doch gut begehbar, hätten wir hier nicht erwartet. Und dann noch im Schlepptau einer wirklich vor Wissen übersprudelnden Führerin, von der wir einige interessante Fakten erfuhren. So zum Beispiel, dass in dieser Höhle eine ungewöhnlich große Anzahl urzeitlicher Keramiken in ebenso ungewöhlicher Qualität gefunden worden war, aufgrund derer die Archäologen/Historiker eine der ersten sardischen Kulturepochen (Steinzeit, vor etwa 5000 - 6000 Jahren) "Ozieri-Kultur" nannten.

DSCN3136.JPG

DSCN3139.JPG

20251112_150658.jpg
Die jahrtausendealten Fundstücke hat man wohlweislich ins Museum geschafft, aber in ein paar Nischen der Höhle dekorative Kopien aufgestellt. Elektrische Beleuchtung sorgt für a) Sicht & Sicherheit, b) eine leicht mystische Atmosphäre ohne Gruselfaktor. Die 2 € Eintritt inkl. Führung ist's allemal Wert, allerdings sollten Klaustrophobiker vielleicht doch lieber gleich zu unserem nächsten Ausflugsziel weiterfahren.
 
weiter geht's
Knappe 14 Kilometer westlich von Ozieri liegt ein Dorf namens Ittireddu, 500 Einwohner klein und unbedeutend. Aber dort, über schmale Asphaltstraßen erreichbar, findet sich in einem steilen Felshang eine ziemlich umfangreiche Nekropole, also eine Art "Urzeit-Friedhof". Auf Sardinien nennt man derartige Begräbnisstätten auch "Domus de Janas", Feenhäuser, weil man sich früher nur übernatürliche Wesen als Erbauer vorstellen konnte.
Die Necropole di Partulesi schließt sich für uns nahtlos an die Grotta San Michele an, die wir zuvor besichtigt hatten. Denn sie stammen beide aus derselben Zeit, der Altsteinzeit, haben beide 5000-6000 Jahre überdauert und wurden (möglicherweise) von denselben Altsarden geschaffen.
Wir haben schon Domus (keine Ahnung, wie da die grammatikalisch korrekte Mehrzahl lautet;))) de Janas gesehen, wo sich die Erbauer durch granitharten Granit gebissen hatten. Die Erbauer von Partulesi hatten es da leichter, denn Partulesi wurde in einer Tuffsteinwand errichtet, deren bröseliges weiches Material geradezu eine Einladung gewesen sein muss, darin Grabkammern anzulegen.

20251112_163212.jpg
Dass die Ursarden aus der Ozierikultur hier gleich rund 30 solcher Grabkammen gegraben haben, ist also nicht weiter verwunderlich. Oder doch? Dynamit und Semtex wurden erst 5000 Jahre später erfunden, es gab weder Pressluft- noch elektrische Bohrhämmer, als Werkzeug noch nicht einmal Metalle. Erst später, so vor rund 4000 Jahren, verwendete man erstmals Bronze, doch damit dem Gestein zu Leibe zu rücken, war sicher auch noch kein Honiglecken. Also wie haben die Ursarden diese Arbeit organisiert, ausgeführt und so erfolgreich geschafft, dass wie sie noch 5000 Jahre später bewundern können? Pure manpower? Extraterrestrische Gastarbeiter? Es gibt wissenschaftliche Thesen en masse, aber wirklich wissen tut man's nicht. Faszinierend ...

20251112_160742.jpg

DSCN3158.JPG

20251112_155706.jpg
 
Als wir mit Partulesi "fertig" waren, kündigte sich allmählich schon die Dämmerung an. aber noch blieb genug Zeit, auch das dritte Ziel dieses Tages anzufahren: ein interessantes Bauwerk 6 Kilometer nördlich von Ozieri, das den sardischen Namen Pont'ezzu trägt, was so viel wie Alte Brücke heißt.
Stammt aus einer ganz anderen Zeit als das, was wir heute schon gesehen hatten, gleich um ein paar Jahrtausende jünger, römisch. Also +/- um das Jahr Null, sogar noch 100 - 300 Jahre jünger, erbaut ums Jahr 100, danach modernisiert ca 400 n. Chr. Und in Betrieb bis in die 50er-Jahre vorigen Jahrhunderts !

20251112_171057.jpg
rund 90 Meter lang, in der für römische Heerstraßen üblichen Breite von 5 Metern, bis zu 8 Meter hoch.20251112_170544.jpg

20251112_170731.jpg
Und auch wenn das alte Gemäuer unter Wind, Wasser und Erosion von fast 2000 Jahren reichlich gelitten hat - die "Nutzfläche" ist noch immer so intakt, dass sie bis vor wenigen Jahrzehnten benützt werden konnte und wurde (heute ist das Betreten verboten, woran wir uns natürlich gehalten haben, Foto=Tele;))). Dabei spielt es wohl keine Rolle, dass die Pont'ezzu kein wirklich sardisches Bauwerk ist, sondern eine semimilitärische Investition eines ausländischen Großunternehmens, des Imperium Romanum.
20251112_170227.jpg
Ob wohl heutige, "moderne" Brücken auch ein so langes Haltbarkeitsdatum haben? Naja ...
 
@peko

wie kann man mich nur so mißverstehen?

Ich hatte angeführt:
"Heute morgen konnte man es z.B. sehen und morgen früh höchstwahrscheinlich deshalb abermals!"
(eine Wahrscheinlichkeitsvermutung!)

und jetzt behauptest Du:
Von den zahlreichen Attraktionen dieses Gebietes haben wir uns drei für einen gemütlichen Nachmittagsausflug (am Vormittag hatten wir auf die von @Beppe versprochene Aurora Borealis gewartet ;)) herausgesucht:

Wie angeführt: ich hatte nix versprochen, sondern die Möglichkeit evtl. nochmals in Aussicht gestellt!

Jedenfalls war das bestimmt um Ozieri herum alles sicherlich interessanter, als so ne etwaige Illumination des Himmels am frühen Morgen.
Neujahr steht fast vor der Tür und dann wirste definitiv wieder mal ne Illumination des Nachthimmels haben.
 
Zuletzt geändert:
@SkipperChris,

vertue Dich bloß nicht im Datum! Soweit ich weiß, wird das Weinfest in Ozieri auch „Su Trinta 'e Sant'Andria” genannt und
findet am Samstag, den 29. November
statt!!!
 
Zuletzt geändert:
Anzeige

Top