Buchprojekt (noch ohne Titel) - Autor: die Forianer

Feuerpferd

Sehr aktives Mitglied
Inspiriert durch die Frankfurter Buchmesse und den Blick aus dem Fenster, der zeigt, dass nun doch bald wieder für viele von uns der lange sardinienlose Winter vor der Tür steht, ist mir eine (vielleicht verrückte) Idee gekommen:
Anstatt immer nur über Bücher zu reden, schreiten wir selber zur Tat und schreiben zusammen einen Sardinien-Roman. Der ein oder andere hat schließlich seine Kreativität bereits auf ver-schiedene Art und Weise unter Beweis gestellt. Vorausgeschickt, ich bin kein Profi auf dem Gebiet und habe nicht die leiseste Ahnung, wohin dieses Projekt führt, mache aber mal einen Aufschlag, der keine Richtung vorgibt. Ob Krimi, Liebesgeschichte, Reisebericht (vielleicht alles auf einmal), besser doch mehrere Kurzgeschichten oder ob alles ein Flopp wird, wird sich dann im Laufe der Zeit zeigen. Damit die eigentliche Geschichte nicht zerfritzelt, werde ich parallel den Beitrag „Bemerkungen zum Buchprojekt“einstellen.
Also auf geht’s, ein Jeder ist aufgefordert, die Geschichte von Matteo - und wer oder was da noch so alles auftauchen wird - weiterzuschreiben.

Als kleine Hilfestellung werde ich versuchen, den Überblick über die handelnden Personen und / oder Orte zu behalten und diese mit ganz grober Beschreibung hier im ersten Beitrag auflisten.

Personen:
- Matteo, Sohn eines Hirten, kehrt nach vielen Jahren nach XXX zurück
- Mariagiovanna, Tochter eines reichen Bauern aus XXX
- Zio Peppe, Bürgermeister in XXX - wie ist er in die Ereignisse von damals verstrickt?
- Don Pedro, unerbittlicher Großgrundbesitzer aus XXX
- Familie Occioni hat Land bei Don Pedro gepachtet
- Familie Pireddu hat Land bei Don Pedro gepachtet
- Antonio, der Barbesitzer
- Don Giovanni, der Pfarrer
- Luca Meneddu, Vorsteher und Maresciallo des örtlichen Carabinieripostens
 
Matteo trat hinaus auf den Dorfplatz. Im Haus war es noch angenehm kühl gewesen, doch hier draußen hatte die Augusthitze den kleinen Platz bereits ganz einge-nommen. Im Ort hatte sich nicht viel verändert, das hatte er schon in der Nacht bei seiner Ankunft registrieren können. Dass dies auch für die Köpfe der Einwohner galt, war ihm in den wenigen Stunden seines Aufenthaltes nur allzu deutlich gemacht geworden.
Dass sein Vorhaben nicht einfach werden würde, war ihm von Anfang an klar gewesen, so hatte er nicht gehofft mit offenen Armen empfangen zu werden, aber auf diese unverhohlene Feindseligkeit war er auch nicht vorbereitet gewesen. In Gedanken versunken schweifte sein Blick zu den gegenüberliegenden Häusern. Nicht das kleinste Lebenszeichen war zu bemerken, obwohl klar war, dass gerade an einem solchen Tag alle zu Hause waren. Ohne dass es wirklich jemand in Worte gefasst hatte, ist die Tatsache, dass ein Störenfried im Ort ist, bereits überall bekannt - auch diese besondere Fähigkeit war in all den Jahren unverändert geblieben.
 
Aber war er wirklich ein Störenfried?
Oder störte er die Dorfbewohner und warum?
Matteo hatte vor 10 Jahren eine Liebesbeziehung zu Mariagiovanna,die Tochter des reichen Nachbarn Bruno,
da Matteo nur Sohn einfacher Hirten war,war er in der Familie natürlich nicht willkommen.
Als er das Dorf verlassen hatte,schrieb man das Jahr 1952.
 
alle wussten von dieser unglücklichen liebe zwischen dem sohn eines hirten und der tochter eines bauern. alle glaubten daran, weil es eine bekannte problematik war, die sich immer wiederholte und den traditionellen werten und zwängen entsprach. weitere erklärungen für das verschwinden matteos waren unnötig gewesen. nur wenige kannten die wahrheit. wussten, was damals geschah und waren durch die unerwartete rückkehr matteos beunruhigt, denn seinerzeit ...
 
...und auch heute noch ist da Gesetz der Omertá (das Gesetz des Nichtssehens, Nichtshörens, Nichtsredens) und auch das Gesetz der Blutrache, der Vendetta (auf sardisch: Vindicau) - besonders in der Barbagia - noch allgegenwärtig. Wie auch immer, Matteos Rückkehr und Anwesenheit brachte jedenfalls eine seltsame Unruhe und nahezu unbekannte Frostigkeit in die Köpfe und Verhaltensweise der Menschen des Ortes und kehrte so die längst geglaubte Vergangenheit urplötzlich wieder in die Gegenwart. Was war damals nur geschehen? ....
 
Zio Peppe schlurft schweigend durch die finstre Nacht, nichts ist zu hören ausser den Hunden, die auch in der dunkelsten Nacht das Dorf beschallen. Die Hände tief in den Taschen seines Umhangs, die Fäuste geballt und von einer inneren Unruhe erfasst, die ihm fremd und ungeheuer ist. Warum, warum nur musste dieser unglückseelige Matteo wieder auftauchen? Hatte er nicht schon genug Unglück heraufbeschworen? Die Schatten der Vergangenheit sind es, die ihn frösteln lassen. und er will sich der schrecklichen Ereignisse nicht erinnern.......
 
Und wie immer, wenn ihn die Erinnerung einzuholen scheint, finden seine Füße, an denen er trotz der Hitze derbe Lederstiefel trägt, wie von selbst den Weg zur einzigen Bar des Ortes. Doch heute erntet er beim Eintreten misstrauische Blicke und als er sich an die Theke begibt, rücken die Anwesenden von ihm ab. Wieder ballte er die Fäuste und verfluchte Matteo im Stillen, obwohl er wusste, dass der anwesende Pfarrer, dies nicht gutheißen würde. Ach, zum Teufel mit ihm - wo ist er denn gewesen, als die Familie ihn gebraucht hätte? Ja hinterher, hinterher war er natürlich zur Stelle gewesen und hat auch fromme Antworten auf die vielen Fragen gehabt. Pah, die alten Frauen konnte er damit beeindrucken, aber doch nicht ihn, den Bürgermeister des Ortes.
 
Jedenfalls kommt ihm nunmehr die Erinnerung - so als ob es gestern gewesen sei - und wie es wohl seinerzeit angefangen hatte, als die Hirten und Söhne der Familien Occhioni und Pireddu aus dem Unterdorf noch die Schafe auf das Weideland von Don Pedro - dem Großgrundbesitzer - trieben und dieser wegen Nichtzahlung des verlangten jährlichen Weidepreises von 2.800 Lire pro Schaf, diese von seinen Landsknechten von den Weidegründen vertreiben ließ. Damit aber war das bereits jetzt schon sehr karge Überleben beider Familienclans höchstgradig gefährdet und der Reigen einer sich abzeichnenden Fehde mehr oder weniger eröffnet. Die Occhionis und auch die Pireddus hatten bereits im letzten extrem kalten Winter mehr als die Hälfte ihrer Tiere verloren, die bei winterlichen Temperaturen von über -20°C einfach erfroren waren. Alles Flehen und Betteln und Vorstellig werden bei Don Pedro führte zu keinem Ergebnis. Dieser blieb unnachsichtig und hart und ließ einfach nicht mit sich über eine Reduzierung der Weideabgabe reden. Im Gegenteil - Don Pedro drohte sogar, den Weidepreis verdoppeln zu müssen - da er ja sonst aufgrund der 50% kleineren Schafherde nunmehr auch 50% weniger Einnahmen hätte und dies deshalb nur durch eine Verdopplung der Weidegebühren zu kompensieren sei. Eine typisch sardische Kalkulations- und Argumentationsformel der Feudal- und Großgrundbesitzer gegenüber den 'ungebildeten' und am Rande ihrer Existenz vegetierenden 'weidebesitzlosen' Familien aus der Unterschicht.

Am übernächsten Morgen nach dem zwangsweisen Wegtrieb der Schafe von Don Pedros Weidegründen, fand man jedenfalls "Cannuccia" den Lieblingshund von Don Pedro einfach in 2 Metern Höhe an Don Pedro's Pferdestalltür angenagelt. Der Hund mußte hierbei jämmerlich zugrunde gegangen sein und die Blutlaache vor der Stalltür war noch wochenlang vor Don Pedros Pferdestall zu sehen. Don Pedro war rasend außer sich, als er den Kadaver seines geliebten Cannuccia so an der hölzernen Stalltür angenagelt sah und er japste, jammerte und zeterte so, als ob man ihn selbst dort angenagelt hätte. Seine lautstark ausgestoßenen Flüche und todbringenden Verwünschungen waren nicht nur im Ober- und Unterdorf zu hören, sondern selbst noch im 5 Kilometer entfernten Budiddu. Jedenfalls hatte man bis dato noch niemals Don Pedro dermaßen in Rage gesehen.

Und zu allem Überdruß und so als ob sie den Hund und auch Don Pedro noch zusätzlich lächerlich machen wollten, hatten die Täter sinnfein und säuberlich noch einen Büschel Schafswolle an den Schwanz des Hundes gebunden. Insofern war für Don Pedro klar, wer dieses Massaker an seinem Cannuccia verübt haben muß: einer von den Occhionis oder einer von den Pireddus.
 
Zio Peppe durchzucken nocheinmal die Gedankenblitze mit dem makabren Bild von dem toten und angenagelten Hund an Don Pedros Stalltür.
Mit einer forschen und entschlossenen Handbewegung führt er sein in der rechten Hand gehaltenes Glas Mirtho an den Mund und stürzt den Rest des Mirthos in seine Kehle und schüttelt danach kurz seinen Kopf, so als wolle er damit diese Gedanken und Erinnerungen mit Gewalt vertreiben.
Hernach schaut er etwas gedankenverloren in die Runde und in die Gesichter der Anwesenden. Und seltsam, irgendwie gleichen die sonnengegerbten, unrasierten und abgearbeiteten Gesichter der heutigen Landarbeiter und Hirten immer noch denen von vor Jahrzehnten - so als wäre seitdem überhaupt gar keine Zeit vergangen. Sind das noch die alten Gesichter von damals oder sind das alles bereits deren Kinder und Kindeskinder? Selbst diesen Gedanken empfindet Zio Peppe etwas verwirrend. Für einen Augenlick erscheint sich vor seinem geistigen Auge Zeit, Gegenwart und Erinnerung förmlich zu vermischen.

Doch plötzlich erwacht er aus seiner Gedankenversunkenheit, als er den dicken, feisten Pfarrer - von allen Don Giovanni genannt - in einer Ecke des Barraums erkennt. Dieser paßt von seiner korpulenten Statur so ganz und gar nicht in diese Barrunde und zum einheimischen Menschenschlag. Don Giovanni sitzt ganz am Ende der Bar in einer Ecke am Tisch mit Luca Meneddu, dem Vorsteher und Maresciallo des örtlichen Carabinieripostens. Beide haben die Köpfe ganz eng und nah einander zugewandt und sprechen irgendwie ganz leise und vertraulich und werfen hin und an einen scheuen und flüchtigen Blick auf Zio Peppe, so als wollten sie sagen, hoffentlich kann er uns nicht hören.

Zio Peppe tut so, als ob er die beiden nicht gesehen hätte und wendet sich wieder der Theke zu und ruft zu Antonio, dem Barbetreiber:
"Anto, noch nen Mirtho!".
 
antonio schenkt, verwundert über den alkoholkonsum des alten peppe zu dieser tageszeit, nach und verflucht sich wieder einmal dafür, dem drängen des vaters nachgegeben zu haben, endlich die bar zu übernehmen. er sehnt sich in die stadt zurück. nach der leichtigkeit und unbeschwertheit des lebens dort in den letzten fünf jahren trotz der ständigen finanziellen not. die bar garantiert ihm als einzige des ortes nun zwar ein regelmäßiges einkommen, aber die dunkle unausgesprochene missachtung, mit der ihm begegnet wird, macht ihn krank. sein vater wurde damals als weichling verspottet, der nicht stark genug war, den sohn im ort zu halten und er selbst wird abgelehnt, weil er versuchte, sich der familienverantwortung zu entziehen.

ablehnung spürt er auch jetzt. sie ist fast körperlich greifbar, aber sie gilt nicht ihm. antonio hat die verstohlenen blicke wahrgenommen, die sich die barbesucher zugeworfen hatten, aber er kann die situation nicht deuten. so wenig, wie er die menschen in seinem heimatort nach seinem leben in der stadt noch verstehen kann.

matteo war unterdessen mühsam auf eine anhöhe am rand des dorfes gestiegen, genoss den würzigen wind und den weiten blick in die schroffe schönheit der berge und dachte, dies allein wäre schon grund genug gewesen, endlich zurückzukommen. aber es gab schwerwiegenderes, das ihm in den vergangenen fast 60 jahren nie ruhe gelassen hatte, das geklärt werden musste, um gerechtigkeit und auch endlich ruhe zu finden.

den zeitpunkt seiner rückkehr hatte er immer wieder verschoben, weil ihm kein weg einfiel, wie er sein ziel erreichen könnte. nun war er zurück und hatte noch immer keinen plan. wie hätte er auch einen haben können, wenn er nicht wissen konnte, was und wer ihn hier erwarten würde. wer noch übrig war von den beteiligten damals, wer noch davon wusste.
auf dem weg hier auf die anhöhe war er an der bar des ortes vorbeigekommen und hatte den alten peppe hineingehen sehen. vielleicht ...
 
......sollte er ihm nicht länger aus dem Weg gehen, dann wären sie wenigstens zu zweit. Er denkt an ihre gemeinsame Kindheit zurück, jahrelang waren sie unzertrennlich, ja fast wie Brüder gewesen. Damals, als sie beim Schafehüten von der großen weiten Welt geträumt hatten - dabei waren sie, wie die meisten im Dorf, noch nicht mal bis zum nur 30 km entfernten Meer gekommen.
 
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