Die Abwanderung junger Leute kann man auch positiv sehen. Wir haben hier schon verschiedentlich darüber gesprochen, dass sich die jungen Sarden sehr schwer tun, ihr Zuhause und ihre Insel zu verlassen. In manchen Zeiten, wie auch im Moment finde ich, ist es notwendig, in die Fremde zu gehen, um eine Ausbildung zu machen oder Arbeit zu finden. Die Großväter haben es ihnen in den 50ern und 60ern vorgemacht, als die Gastarbeiterwelle sich in Europa ausdehnte, ganz besonders in Deutschland. Die Familienväter und erwachsenen Söhne hatten keine andere Wahl als die Auswanderung, um ihre Familien zu ernähren.
Heute scheint sich die Notwendigkeit zu wiederholen. Leider sind die jungen Leute oft zu bequem, besser gesagt es wird ihnen von ihren Eltern, besonders von der Mamma zu leicht gemacht, sich mit der Situation der Arbeitslosigkeit zu arrangieren. Was nützt es der Insel, wenn die jungen Leute bleiben und gar nicht in der Lage sind, ihre Heimat aufzubauen, wie und mit was? Dann doch lieber gehen, einen Ausbildungsplatz und Arbeit finden, vielleicht sogar das persönliche Glück, um später evtl. wieder zurück zu kehren. Wieviele Gastarbeiter von damals und ihre Familien leben heute teilweise von der deutschen Rente, die zumindest ein sehr gutes Zubrot für sie im Alter ist. Das ist keine wirkliche Lösung des Problems, aber immerhin haben diese Familien gut gelebt und können sich auch heute einen recht guten Lebensstandard leisten. Aber die Alten leben nicht ewig, können ihre Enkel nicht retten, die müssen sich schon selber bewegen.
Ein Inselvolk tut sich immer besonders schwer, die Heimat zu verlassen. Es gibt viele Beispiele in Europa dafür: Sardinien, Sizilien, England, Irland ….. Die Republik Irland ist ein gutes Beispiel, wie man diese Spirale von Arbeitslosigkeit und Armut durchbricht. Dieses Land hat auch eine Geschichte der Emigration hinter sich. Die Bevölkerung war so bettelarm, keine Arbeit, viele Kinder. Gedreht hat sich die Situation, als ausländische mittelständische Firmen Tochtergesellschaften in Irland in den 60ern gegründet haben. Was hat diese bettelarme Insel für Firmen so attraktiv gemacht? Die Präferenzzölle und der erleichterte Export in den britischen und amerikanischen Markt. Die jungen Männer wurden in den Mutterfirmen im Ausland für ihre Arbeit angelernt und wieder zurück geschickt.
So kam Arbeit und Prosperität auf die Insel. Heute ist die Republik Irland eines der reichsten Länder Europas, obwohl sich in den letzten Jahren auch wieder Krisenstimmung breit macht, weil nicht wie damals die ungelernten Menschen das Land verließen und auch wieder zurückkehrten, sondern weil es heute eine zweite Emigrationswelle gibt, jetzt wandern die studierten Spezialisten aus, um ihre Möglichkeiten im Ausland zu suchen und eher nicht mehr zurück kommen - diese gut ausgebildeten Menschen fehlen.
Der Waffenhersteller Rheinmetall hat eine Produktionsstätte nach Sardinien verlagert, leider nicht aus hehren Gründen, nämlich um von dort aus Waffen zu produzieren und in Länder zu exportieren, in die von Deutschland aus nicht exportiert werden darf. Wo sind die Möglichkeiten für Sardinien? Wo liegen die Vorteile für Firmen, auf Sardinien zu produzieren? Es müssen ja nicht gerade Waffenhersteller sein.
Vielleicht wird, wenn man Lösungen hoffentlich irgendwann gefunden hat, Sardinien nicht mehr
nur das wunderschöne Land, reich an Naturschätzen, Geschichte und Kultur bleiben, wie es die Sarden und auch der Tourismus gerne hätten, denn alles hat seinen Preis. Arbeitsplätze und die Rahmenbedingungen dafür müssen geschaffen werden, um den Menschen ein gutes Leben ohne Armut zu bieten und trotz gewisser Industrialisierung die Traditionsberufe wie Schäfer etc. und Traditionen zu erhalten und landschaftsverträgliche Lösungen zu finden.
Für Sardinien wäre es heute auch eine neue Auswanderungswelle. Eines ist klar, die jungen Menschen würden fehlen, aber wie sonst könnte man die Situation langfristig ändern?