Ausflüge Von der Römerzeit ins Mittelalter

peko

Sehr aktives Mitglied
Da die Schönwetter-Phasen 2024 bislang eher rar waren, nützen wir jeden sonnigen Tag, ein weiteres Stück Sardinien in unserem näheren und weiteren Umfeld kennenzulernen oder schon Bekanntes erneut zu genießen.
Heute nahmen wir uns die Region südlich des Lago Coghinas vor, konkret die Überreste der Römerfestung "Castro", die auf einem Hügel in der Nähe von Oschiri liegen. Bei der Besichtigung der Ex-Kathedrale "Nostra Signora di Castro" voriges Jahr hatte uns der Hüter dieser mittelalterlichen Kirche von den "Rovine di Castro" erzählt, einer Festungsruine, von der es aber nichts mehr zu sehen gäbe als ein paar alte Mauerreste, kaum der Mühe wert. So fiel es uns damals leicht, das Suchen und Besuchen der Rovine di Castro immer wieder zu verschieben - bis heute.
Über einen eher ruppigen Agrarweg und nach dem Öffnen (und wieder Schließen!) eines Weidetores kamen wir nahe genug an den Festungshügel "Colle di San Simeone" heran, um den steilen Aufstieg zu Fuß in Angriff zu nehmen.

Der alte Sarde hatte Recht: von dem einst mächtigen Gebäudekomplex war wirklich nicht mehr übriggeblieben als zwei je ca 20 Meter lange Mauerstücke, ausgegraben und mit inzwischen wieder verrotteten Bretterverschalungen gegen erneutes Verschüttetwerden 'gesichert'.

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Von der Festung, zentralem Knotenpunkt der Ost- und Nord-Süd-Achse, gab es auch eine Verbindung zum römischen Vorgänger der Ponte Diana, von dem ich vorigen Herbst berichtet hatte.
Aus den wenigen Mauerresten und den paar (im wahrsten Sinn des Wortes) "Stanahaufn" lässt sich kaum noch erahnen, welch bedeutsame Rolle diese Festung über tausend Jahre lang - von der Zeitenwende bis ins Mittelalter - in Nordsardinien gespielt hatte.

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Am ehesten noch kriegt man eine Vorstellung von der Größe der Anlage, wenn man sich die Satellitenbilder (von google earth geklaut) anschaut:Rovine di Castro.jpg

Gelohnt hat sich der Ausflug für uns trotz der eher geringen Attraktivität der Ruine - denn allein schon die Lage auf dem die weite Ebene beherrschenden Hügel gibt einem irgendwie das Gefühl, "über den Dingen zu stehen", und die beeindruckende Aussicht vom höchsten Punkt - wo vor fast 2000 Jahren ein imposanter Wehrturm gestanden war - war den mühsamen Aufstieg allemal wert.

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An der etwa 1km entfernten Kirche Nostra Signora di Castro sind wir diesmal nur vorbeigefahren, in den vergangenen Jahren hatten wir sie mehrmals besucht, und heute hatten wir noch anderes vor.
Für weniger Abenteurlustige, die der Besuch der Rovine (=Ruine) di Castro nicht so sehr reizt, stelle ich hier noch ein paar Fotos vom Vorjahr dieser mittelalterlichen (12 Jht, glaub ich) ehemaligen Kathedrale rein, denn die ist auf Asphalt erreichbar und auf jeden Fall sehenswert:

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Wer diese Dame im Glassarg ist, konnte uns der Hüter der Kirche nicht genau sagen, nur, dass eine Frau tot im naheliegenden See gefunden worden wäre. Keine Ahnung wer, keine Ahnung wann, keine Ahnung von den Hintergründen. Ob es sich da um eine Reliquie einer (lokalen) Heiligen handelt, konnte ich leider trotz Suche im Internet bislang nicht rausfinden.
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Wer Lust hat, den Colle (Hügel) di San Simeone mit den Restmauern der Römerfestung zu erklimmen - vom Kirchenparkplatz Richtung Lago Coghinas zweigt nach 150m links eine strada bianca ab, der folgt man rund 1 km weit; gegen Ende ein Zaun - Weidetor auf - Weidetor wieder zu, der Bauer wird's dir danken.
 
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Hallo Peko,
Bei der Frau im Sarg handelt es sich um die Dorfheilige Nostra signora Madonna di castro, der in der Woche nach Ostern mit Prozessionen in Oschiri und einem Fest an der Kirche gehuldigt wird. Weitere Infos zur Römerfestung gibt es in dem kleinen Museum in Oschiri.
Gruß Klaus
 
Ciao Klaus, ja ich kann mich erinnern, dass der Kustos sowas erwähnt hatte. Was mich interessieren würde ist, sie muss ja einen Namen gehabt haben, der aber nirgendwo aufscheint (zB auf den Infotafeln), warum sie zur Dorfheiligen erhoben wurde, wann das Ganze passiert ist, und ob es tatsächlich einen Zusammenhang mit der "Toten vom Coghinas-See" (keine TV-Serie ;), noch nicht) gibt. Wenn ja, dann wäre die Geschichte bei weitem nicht so alt wie die Kirche, weil der See ja erst in den 1920er-Jahren aufgestaut wurde ...
Vielleicht schau ich mal im Oschiri-Museum vorbei, wenn wir wieder in der Gegend sind.
Übrigens, die Ponte Diana müsste fast fertig sein. Zumindest hat uns jemand auf unsere Frage gesagt, dass sie schon einzelne Autos durchlassen, wenn nicht gerade an der Fahrbahn gearbeitet wird. Also wird sich auch Dein Weg auf die andere Seite hoff(i)entlich bald wieder normalisieren.
 
Nachtrag:
Da die Ponte Diana ja noch immer nicht passierbar ist, mussten wir sowieso den Umweg über Berchidda in Kauf nehmen. Um nach Tempio Pausania nördlich des Limbara-Massivs zu gelangen, boten sich zwei Möglichkeiten an:

Alternative 1: von Berchidda "zurück" zur Ponte Diana, aber zu deren Nordende. Von dort aus auf der SS392 direkt nach Tempio, wobei "direkt" sehr relativ ist - die SS392 schlängelt sich endlos die Flanke des Monte Limbara entlang, gefühlte 1000 teils sehr enge Kurven reihen sich, stetig bergauf, nahtlos aneinander. Diese Strecke sind wir einmal hinter einem schweren LKW hergezockelt, ein anderes Mal hinter einer unverdrossen strampelnden Radlergruppe. Die forcierte italienische Fahrweise ist mit unserem trägen 86-PS-Vehikel irgendwie nicht kompatibel, schon gar nicht bergauf, also keine Chance vorbeizukommen. Mühsam, diese insgesamt 36 Kilometer

Alternative 2: nicht entlang der Flanke des Limbara, sondern über seine Höhe. Von Berchidda gibt es ein Sträßchen hinauf nach Vallicciola, dem Punkt, der mit seinen über 1000m Höhe gern als Ausgangsstation für vielfältige Wanderungen im Limbaragebiet genützt wird. Von Berchidda bis Vallicciola sind gute 600 Höhenmeter zu überwinden.
Dieses Sträßchen ist bis etwa zur Hälfte asphaltiert, danach dann ein Schotterweg. Es stand zu erwarten, dass der vergangene Winter und die Regenfälle der letzten Tage dem Zustand des nicht asphaltierten Teils nicht gerade zuträglich gewesen waren, aber: keine LKW. Keine Radfahrer. Dafür "Natur durch die Hintertür" mit grandiosen Panorama-Ausblicken. Und, in heutiger Zeit kein zu missachtender Aspekt, mit gerade mal 20 Kilometern um fast die Hälfte kürzer als über die SS392

Schwer zu erraten, für welche Variante wir uns entschieden haben ;)

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Schon im unteren Teil des Anstiegs begleiteten uns etliche munter plätschernde kleine und größere Wasserfälle - der gesammelte Regen der letzten zwei Wochen. Was würde uns weiter oben erwarten, wo der Asphalt zu Ende war?

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Schon beim Kauf unseres Jimny hatten wir uns zu Artgerechter Haltung verpflichtet ...
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Was am Foto beinahe eben aussieht, war real alles andere als flach. Der Neigungsmesser zeigt's.
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Es war nicht halb so schlimm, wie wir unten für möglich gehalten hatten. Somit hatte unser kulturlastiger Donnerstagsausflug noch einen leicht abenteuerlichen, aber fahrtechnisch kaum herausfordernden Abschluss gefunden. War ein guter Tag.
 
Hallo Peko,
Die eigentlichen Dorfheiligen von Oschiri sind Santa Lucia und San Demetrio. Die Madonna di Castro ist jedoch so tief im Herzen aller Oschiresi, weshalb ich sie als Dorfheilige bezeichnete. Offensichtlich haben die "Madonnen" keine Vornamen. So gibt es eine weitere kleine Landkirche bei Oschiri "Madonna di Otti", wo Ende Mai ein von Bauern und Schäfern unterstütztes uriges Fest stattfindet.
Zum Thema Ponte Diana: Salvini hat ja auf seiner Wahlkampftour eine Eröffnung im Juni versprochen. Ich glaub noch nicht ganz dran. Bin in 3 Wochen an "meinem See" und schau dann mal wie die Lage ist.
Gruß Klaus
 
@hoffi : Danke für die Info!
Das Kirchlein von Otti ist eines der kleinsten, das ich kenne - gebaut offenbar von & für klassische Sarden (allgemein 1,5 bis 1,6 Meter groß ;)))
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Was ich gern wüsste: Die Madonna di Castro ist so tief im Herzen aller Oschiresi, wieso? Da muss doch eine Geschichte dahinterstehen, eine Sage, eine Legende, ein wundersames Ereignis, das eine (anscheinend) namenlose Person so stark im Volksglauben verankert. Da ich selbst beruflich vorbelastet bin (in puncto Geschichten erzählen), interessiert mich sowas immer sehr, leider finde ich da im Zusammenhang mit der Madonna di Castro so gar nix. Vielleicht doch im Oschiri-Museum? Naja, demnächst einmal.
Wenn Du wieder am See bist - vielleicht lernt man sich da bei Gelegenheit kennen?
Virtuell kennen wir uns ja schon eine kleine Ewigkeit, seit einer ersten Plauderei übers Angeln ...
 
@peko, vielleicht kann Dir auch ein Priester weiter helfen, da die ja öfter alles nieder schrieben und archivieren?
Oder eine ältere Person?
 
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