Traditionen an Allerheiligen und Allerseelen in der Baronia

Georgie

Sehr aktives Mitglied
Ein alter Brauch: petti petti coccone.
Die Kinder gehen an beiden Tagen von Haus zu Haus, klopfen laut an die Türen, das Klopfen war überall zu hören. Sie rufen den alten Spruch „petti petti coccone – gebt uns Brot“ Damit war nicht das normale pane carasau gemeint, dass man ja immer hatte, sondern leckeres weiches Brot, das es nur in den Geschäften zu kaufen gab. In Nuoro rufen die Kinder „mortu mortu“. Früher freuten sich die Kinder noch sehr über dolce, Esskastanien und auf gekauftes weißes Brot, weil man diese Köstlichkeiten kaum hatte und sich deswegen an diesen Tagen nach Herzenslust damit vollstopfen konnte. Heute gibt man auch noch dolce, die gerne eingesackt werden, aber natürlich auch Geld.
Wenn man nichts geben wollte, sagte man „non damus fattu – wir geben nichts“. Darauf folgte und folgt auch heute noch „zu culu marteda tu cottu, za uredda sia cucuredda“. Das ist was ziemlich Unflätiges "maleducato" aber die Kinder sagten und sagen es heute noch. Man möge mir mein fehlerhaftes Sardisch verzeihen und eine genaue Übersetzung dieser Schimpfkanonade habe ich nicht bekommen :)

Eine weitere alte Tradition die heute nicht mehr praktiziert wird:
Die confraternita, die Mitglieder der Bruderschaft gingen nach dem Abendgeläut, das wohl damals früher war, nach Anbruch der Dunkelheit, von Haus zu Haus. Sie kündigten sich mit Glocken, die sich bei sich trugen, an. Sie waren normal gekleidet, hatten den "bisaccia" diesen typische Hirtentasche (2 Taschen, die vorne und hinten über die Schulter geschwungen wurden). Sie riefen„seamo le anime – wir sind die Seelen“. Auch sie bekamen dann Gaben, Käse, Wein, dolce.

Ein weiterer Brauch war, am Abend des 1. November für die Seelen der verstorbenen Familienmitglieder den Tisch reich zu decken. Man glaubte, dass die Seelen in dieser Nacht zum Allerseelen Tag zurück in ihre Familie kommen. Sie sollten kein leeres Haus, keinen ungedeckten Tisch vorfinden, mit Wein und allem, was zu einem Familienessen gehört. Am nächsten Tag hatte die Familie dann gemeinsam die Speisen gegessen oder das Essen an die Armen verschenkt. Dieser Brauch wird auch heute noch teilweise in den Familien praktiziert.

Ich bin sehr beeindruckt, ja gerührt von diesen schönen Bräuchen an Allerheiligen und Allerseelen. Auch bei mir wurde geklopft und "petti petti coccone" gerufen. Schön, dass ich aus Gesprächen wusste, was es damit auf sich hat und kleine Geldstücke zum verschenken bereit hatte.
 
Bei uns im Dorf fragen die Kinder (noch) nicht nach Geld. Es gibt selbstgebackenes Brot und Gebäck. Leider können viele Erwachsene heute nicht mehr Brot backen, und so machen es nur noch einige Familien.
 
Gorgie
hast Du doch selbst geschrieben, dass zunehmend Geld gegeben wird. Ob danach gefragt wird, spielt doch keine Rolle, jedenfalls ist die verbreitete Erwartungshaltung. So wie in D. an den Hl. Drei Königen.
 
naja, die Sternsingeraktion in Deutschland ist ja dafür gemacht, Geld zu sammeln für Kinder in anderen Teilen der Welt.
Die deutschen Sternsinger sammeln primär nicht für sich selbst....aber klar, dass auch sie sich über was Süsses freuen.

Die sardischen Bräuche, um die es hier geht, sind ja private Aktionen und Traditionen, wo in der Tat Geld nicht unbedingt eine Rolle spielen muss.
 
Ich schiebe den alten Beitrag heute an Allerheiligen nach oben, vielleicht ist es am heutigen Tag interessant, über sardische Bräuche und Traditionen an Allerheiligen/Allerseelen zu lesen. Ich nehme an, dass in diesem Jahr die alte Tradition nicht gepflegt wird und man nicht die "petti petti coccone" oder "mortu mortu" Rufe der Kinder hört. Oder doch trotz Corona Vorsichtsmaßnahmen? Schade, dass in diesem Jahr so viele schöne Traditionen Corona zum Opfer fallen.

LG
Georgie
 
Dieses Jahr werden die petti petti coccone Rufe wieder in den sardischen Dörfern zu hören sein.
Die Kinder dürfen nach dem Lockdown im letzten Jahr wieder raus und ihre Runden von Haus zu Haus laufen, aber weniger als sonst, schrieb mir eine sardische Mama aus meinem Dorf: "Quest'anno i bambini possono uscire, però non faremo tanti giri! Almeno non si perdono le tradizione!"
Es ist noch nicht wie vor Corona, aber man ist froh, dass wenigstens die Traditionen nicht verloren gehen.
 
Ganz in meiner Wohnnähe........

2020 nix, was auch für die Bauern nicht so toll war, da die zu viele 'Räben' hatten. Wir organisierten viele Jahre so ein Umzug in unserer Gemeinde. Leider fanden sich dann keine Nachfolger und noch leiderer, ist heute wohl nix mehr........
 
Die Kinder sammeln sich, um durch's Dorf zu ziehen. Es geht los "petti petti coccone" Rufe und Tüten in den Händen für die Gaben.
Gott sei Dank hat Halloween den alten Brauch nicht verdrängt.
Es sieht so aus, dass heute am letzten Schultag vor Allerheiligen/Allerseelen dieser Zug von der Schule organisiert ist, um den Brauch, die sardische Kultur nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

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