Sardinien - völlig Mafia-immun???

Beppe

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Sardinien - völlig MAFIA-immun???

Gestern erschien ein Artikel in der Unione Sarda, in dem u.a. behauptet wird, daß auf Sardinien die Provinzen völlig "immun" gegen das Phänomen der Mafia sei. Der Artikel wirft m.E. mehr Fragen auf, als dass er wirkliche Antworten hierauf liefert. Ebenso attackiert er statistische Erhebungen innerhalb der EU, der volkswirtschaftlichen Erhebung, Erfassung und Gesamtrechung wie z.B. des BIP's (Bruttoinlandsprodukts) und der Einbeziehung von volkswirtschaftlichen Größen wie z.B. der Prostitution (in Italien strafrechtlich verboten!) und anderen strafrechtlich relevanten Taten/Werten/Größen in die volkswirtschaftliche Gesamtrechung.

Die Banca d'ITALIA hat hierzu im Dezember 2021 einen Report herausgegegeben, der vom Verband CGIA der Handwerker und Kleinuntenehmen in Mestre untersucht und bewertet wurde. Den Report der Banca d'Italia kann man sich auf deren Webseite herunterlage bzw. füge ich diesen als PDF Datei (in italienisch) und ebenso die Studie der CGIA (in italienisch) an.

Der Artikel aus der Unione Sarda

Auf Sardinien sind die Provinzen völlig "immun" gegen das Phänomen der Mafia, die in Italien einen Umsatz von 40 Milliarden Euro pro Jahr macht. Die Europäische Union, so unterstreicht die CGIA di Mestre, erlaubt es den Staaten, illegale Aktivitäten wie Prostitution, Drogenhandel und Zigarettenschmuggel in das BIP einzubeziehen.

Im Mezzogiorno (Süditalien) sind nur die Provinzen Oristano, Olbia-Tempio und Sassari sowie die Provinzen Matera, Chieti und Campobasso völlig "immun" gegen die Präsenz der Mafia.

In Italien erwirtschaftet die Mafia einen Umsatz von 40 Milliarden Euro pro Jahr, was etwa 2 Prozent des BIP entspricht. Ein Umsatz, der mit dem von Gse (Energiedienstleister) oder Eni und Enel vergleichbar ist.

Dies sagt die CGIA, die Vereinigung der Handwerker und Kleinunternehmen von Mestre, die die Daten der Banca d'Italia untersucht hat und die Angabe der Europäischen Union als "peinlich" bezeichnet, die es allen Mitgliedsländern ab 2014 durch eine gesetzliche Maßnahme erlaubt, einige illegale wirtschaftliche Aktivitäten wie Prostitution, Drogenhandel und Zigarettenschmuggel in das BIP einzurechnen.

"Dank" dieser Möglichkeit haben wir im Jahr 2020 (letzte verfügbare Daten) - so die CGIA - das nationale Vermögen um 17,4 Milliarden "aufgeblasen" (fast ein Punkt des BIP). Eine ethisch nicht vertretbare Entscheidung.

Es gibt verschiedene Studien auf territorialer Ebene, die die stärkste Präsenz wirtschaftskrimineller Organisationen aufzeigen, und zwar nicht nur im Süden, sondern zunehmend auch in der nördlichen Mitte. Die am stärksten gefährdeten Gebiete sind nach Angaben der Banca d'Italia neben einem Großteil des Südens noch: Rom, Ravenna, Latina, Genua und Imperia. Weniger betroffen, aber immer noch sehr kritisch, sind die Provinzen: Turin, Lodi, Novara, Verbano-Cusio-Ossola, Varese, Mailand, Brescia, Savona, La Spezia, Bologna, Prato, Ferrara, Rimini, Pistoia, Florenz, Livorno, Arezzo, Viterbo, Ancona und Macerata.

Die Provinzen: Triveneto, Valle d'Aosta und Umbrien sind insofern hierbei kaum vertreten. Und am Ende der Rangliste (quasi ganz oben) stehen Oristano, die Gallura und Sassari.

MAFIA S.p.A. - Società per azioni (Aktiengesellschaft in Italien)
Zusätzlich zu den 17,4 Milliarden, die durch illegale Aktivitäten (Drogenhandel, Zigarettenschmuggel und Prostitution) "produziert" werden, "absorbiert" das nationale BIP weitere € 157 Milliarden: € 79,7 Milliarden davon sind "versteckt", weil sie nicht angemeldet wurden, € 62,4 Milliarden werden durch irreguläre Arbeit (Schwarzarbeit) und € 15,2 Milliarden durch "andere" Transaktionen (d.h. Trinkgelder, Schwarzmieten usw.) erwirtschaftet.

Die gesamten € 174,4 Milliarden (17,4 plus 157) bilden die so genannte 'unbeobachtete Wirtschaft' (Schattenwirtschaft), die vollständig im nationalen BIP enthalten ist. Und obwohl es unmöglich ist, diesen Betrag zu beziffern, kann ein Großteil dieses Bestrags (€ 157 Milliarden) auf kriminelle Organisationen vom Typ Mafia zurückgeführt werden.

Quelle:

Studie der CGIA (in italienisch)

Report der Banca d'Italia ( in italienisch)

diese als PDF Anhangsdatei hier anzuhängen, war nicht möglich, da die Datei ca. 6,5 MB groß ist!
 
Zuletzt geändert:
Hm, ob das wirklich stimmt?
Gewisse Organisationen scheint es zu geben.......wie wir von Freunden mitbekamen. OK, vielleicht nicht direkt Mafia, jedoch ähnlich.......So im Stil, zahlen oder Pech.
 
Zur weiteren Information ist vielleicht noch hilfreich zu wissen, daß die Datenerhebungsänderungen in der EU (EUROSTAT-Richtlinien) bereits seit 2014 gelten:

Istat / EUROSTAT: ab 2014 auch Aufnahme von: Drogen, Prostitution und illegalen Aktivitäten in BIP-Berechnungen

Aufnahme illegaler Aktivitäten in BIP-Berechnungen
Mit den Eurostat Neuerungen (Änderungen) kommt auch der Zigaretten- und Alkoholschmuggel

Alle EU-Länder, darunter auch Italien, werden "eine Schätzung der illegalen Aktivitäten wie Drogenhandel, Prostitutionsdienstleistungen und Schmuggel (von Zigaretten oder Alkohol)" in die Buchführung (und damit in das BIP) aufnehmen. Dies wird ab 2014 in Übereinstimmung mit den Eurostat-Richtlinien in die Konten aufgenommen.

Die ISTAT hat mitgeteilt, dass es ab 2014 sowohl in Italien als auch in den meisten EU-Ländern der Übergang "zu einer neuen Version der Rechnungslegungsvorschriften" kommt. Die Neuerungen bei den Mess- und Erfassungsmethoden sowie -quellen, die in die neue VGR (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung) eingeführt werden, wurden in drei Makrokategorien unterteilt:
diejenigen, die mit der so genannten Sec2010-Methodik (dem neuen Standard für die EU-Länder) zusammenhängen, andere, die auf europäischer Ebene gemeinsam genutzt werden, und nationale Spezifikationen, die die Aktualisierung der VGR-Messungen unter Einbeziehung neuer statistischer Quellen betreffen.

Illegale Aktivitäten
Diese Neuerung ist Teil der gemeinsamen Veränderungen/Neuerungen auf europäischer Ebene und hängt, wie Istat betont, mit der "notwendigen Überwindung von Vorbehalten hinsichtlich der einheitlichen Anwendung bereits bestehender Normen zwischen den EU-Ländern" zusammen. Unter den vorgebrachten transversalen Vorbehalten gibt es, wie das Institut betont, einen, der "von größerer Bedeutung" ist, denn er betrifft die Einbeziehung illegaler Tätigkeiten in die Konten, die bereits im vorherigen System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen von 1995 vorgesehen waren, und zwar "gemäß dem Grundsatz, dass die Schätzungen erschöpfend sein müssen, d. h. alle einkommensschaffenden Tätigkeiten unabhängig von ihrem rechtlichen Status umfassen".

Schwierigkeiten bei der Messung
Die Messung dieser Aktivitäten ist laut Istat sehr schwierig, da sie sich jeder Form von Erhebung entziehen. Unter anderem kann der Begriff der illegalen Tätigkeit selbst unterschiedlich ausgelegt werden. Um eine größtmögliche Vergleichbarkeit der von den Mitgliedstaaten erstellten Schätzungen zu gewährleisten, hat Eurostat genau definierte Leitlinien aufgestellt. Zu den Aktivitäten, die berücksichtigt werden, gehören der Drogenhandel, Prostitutionsdienstleistungen und der Schmuggel von Zigaretten oder Alkohol.

Forschung und Entwicklung
Zu den Neuerungen, die sich auf das Modell Sec2010 auswirken (und die nach den Schätzungen der Europäischen Kommission ab Januar 2014 für Italien zwischen 1 und 2 % des BIP ausmachen werden, was unter dem EU-Durchschnitt von 2,4 % liegt), gehören die Ausgaben für Forschung und Entwicklung
sowie für Rüstung: Diese werden den Investitionsausgaben zugeordnet, was sich positiv auf das BIP auswirkt. Im Bereich der Forschung wird sogar die Komponente der Ausgaben der öffentlichen Verwaltungen, "obwohl sie als Teil der Vorleistungen und damit der Produktion von Dienstleistungen
für die Gemeinschaft bereits als Endnachfrage verbucht wird, dennoch eine positive Auswirkung auf die Wertschöpfung haben, die der Abschreibung des FuE-Kapitalstocks entspricht, der per Definition zu diesem Aggregat beiträgt".

Einige für die Steuerung der EU und der einzelnen Mitgliedstaaten entscheidende Größen werden im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen geschätzt. So dienen beispielsweise das Verhältnis zwischen Dezifit und BIP und das Verhältnis zwischen Schulden und BIP (die so genannten Maastricht-Parameter) dazu, die Lage der öffentlichen Finanzen eines jeden Landes zu bestimmen. Das Bruttonationaleinkommen (BNE) wird von den europäischen Institutionen verwendet, um den Beitrag jedes Landes zum Haushalt der Union zu bestimmen. Das regionale Pro-Kopf-BIP wird für die Zuweisung von Strukturfondsmitteln an die EU-Regionen verwendet. Schließlich ist die vierteljährliche Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts einer der Referenzindikatoren für die Wirtschafts- und Währungspolitik in der Eurozone.
 
Ecomafia auf Sardinien: vom Abfall bis zur Bau- und Zementwirtschaft - Bericht und Zahlen zur Illegalität

Wird ja gerne behauptet, daß Sardinien 'mafiafrei' sei, wobei ich mich in den letzten 20 Jahren an vielfache Berichte von Beschlagnahmungen, Sequestrierungen, Enteignungen etc. von Hotels, Villen, Häusern, Liegenschaften, Grundstücken und auch Firmen kam, wobei hierbei gerade oft der Nachweis einer Mafiaverbindung und entsprechender strafrelevanter Aktivitäten kam.

Nunmehr spricht sogar der von der Legambiente erstellte Bericht davon, daß Sardinien hierbei an 8. Stelle in Italien steht und sogar an 2. Stelle, wenn es um Archäologische Straftaten geht.

Im Bericht "Ecomafia 2022", den die Legambiente vorstellt, nimmt Sardinien den 8. Platz unter den italienischen Regionen ein. Grundlage der Bewertung und Einstufung sind Verstöße sowohl gegen den Abfallkreislauf als auch wegen unerlaubter Bautätigkeiten sowie Straftaten in Verbindung mit dem archäologischen Erbe und der Fauna.

Die Zahlen zur Umweltkriminalität beziehen sich auf die Daten für 2021 und beruhen auf den Angaben aller Polizeidienststellen. Im Einzelnen: 1.387 Straftaten wurden festgestellt. Allein davon 359 im Abfallkreislauf sowie 345 in der Bau- und Zementwirtschaft. 271 betrafen die Fauna, 293 die Brandstiftung und 99 das archäologische Erbe.

Insbesondere bei den Angaben zur "Archäologischen Kriminalität" liegt die Insel landesweit an 2. Stelle nach Latium. Nimmt man nur die Provinz Sassari und die Gallura, dann sogar an 1. Stelle. Hierbei handelt es sich in der Regel um Grabräuber und/oder widerrechtliche Kunstdiebstähle.

Allerdings, die meisten Straftaten konzentrieren sich auf die Abfallwirtschaft mit 3.232 angezeigten Personen, 24 Untersuchungshaftanordnungen und 422 Beschlagnahmungen.

Die Provinz Cagliari ist in diesem Bereich am stärksten betroffen (199 Fälle), gefolgt von Sassari und Südsardinien, Carbonia und Medio Campidano.

Auch wenn die Insel vom Phänomen der organisierten Kriminalität noch verschont zu sein scheint, so gibt es doch einige Risikosektoren wie die Abfall- und die Bau- und Zementwirtschaft sowohl was deren wirtschaftlichen Betrieb als auch deren Unterwanderung betrifft. Der Generalstaatsanwalt von Cagliari stellt hierbei klar, "dass es auf Sardinien wohl lokal begrenzte kritische Bereiche gibt, wie den gesamten Norden, beginnend mit der Costa Smeralda, was z.B. den baurechtlichen Missbrauch von Gebäuden betrifft."

"Die Situation auf Sardinien hat sich im Vergleich zu den Vorjahren nicht verändert, das Risiko der organisierten Kriminalität ist nach wie vor gering", so der der nationale Leiter von Legambiente, "aber man muss auf mögliche Unterwanderungen achten, vor allem im Bausektor als auch in der Abfallwirtschaft und dem Recycling.

Quelle:
 
Zuletzt geändert:
...ja alles traurig und hinzu kommen die anderen Delikte :
Fehden, Erpressung, Drogenhandel , Überfälle auf Bankautomaten/Parkautomaten , illegaler Besitz von Waffen, Einschüchterungsversuche an Vertreter der Institutionen ( Bürgermeister ; Beisitzer, usw..)
Betrügereien an älteren Menschen,
Wilderei usw...
 
Interessant, dass die Provinz Nuoro, die als kriminellste Provinz Sardiniens bekannt und berüchtigt ist, nicht in der Statistik auftaucht. Ist die Provinz Nuoro doch besser als ihr Ruf in dieser Hinsicht?
 
es werden in dem Bericht verschiedene Straftaten aufgeführt, aber wie der Zusammenhang zur Organisierten Kriminalität bzw Mafia hergestellt wird, bleibt unklar.
 
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